14 Juli 2023

Humberto Costantini: Von Göttern. Menschlein und Polizisten

Es war am 3. Dezember 1975. Die Mitglieder der gemeinnützigen Gesellschaft „Polyhymnia“ trafen sich wie an jedem Mittwoch in der Galle Teodoro Vilardebó 2562, um ihre Gedichte vorzutragen und über Lyrik zu philosophieren. Doch ihr unschuldiges Beisammensein wurde durch Götter und Polizisten gestört. Aphrodite hatte beschlossen, sie ineinander verliebt zu machen, Hades wollte sie töten, und die Polizei vermutete hinter „Polyhymnia“ eine konspirative Vereinigung. Es war jedoch nicht zu vermeiden, daß der Bericht, den José Maria Pulicicchio auf Geheiß Athenes von jenen Ereignissen anfertigte, „später ohne jeden Skrupel von einem gewissen unbekannten und zweitrangigen Romanautor mit dem wahnwitzigen Ziel benutzt wurde, ihn als Herzstück zu nehmen, um das er eine absurde, lächerliche und kaum glaubliche Geschichte gestaltete, in die willkürlich Götter, ruchlose Polizisten und prächtige Sterbliche eingriffen, die wie alle Sterblichen unablässig der erbarmungslose Tod umlauerte“.
Auf ebenso komische wie hintergründig ironische Weise macht Costantini mit diesem Roman auf das Leben in dem von einer Militärdiktatur beherrschten Land aufmerksam, auf eine Wirklichkeit voller alltäglicher Lebensgefahr.

Buchanfang
Widmung
Dieses kleine Buch etwa zwanzig Frauen und Männern zu widmen und zu sagen, daß ich es ohne ihre solidarische und mutige Unterstützung nicht hätte schreiben können, könnte wie ein höfliches Lippenbekenntnis oder zumindest wie eine Übertreibung klingen. Trotzdem bin ich zu der Erklärung verpflichtet, daß dies alles unumstößlich wahr ist: Ohne die schicksalhafte Hilfe jener Frauen und Männer würden das Buch und vielleicht auch dessen Autor nicht leben.
Es entstand in einer für das Land und für mich besonders schweren Zeit, da es sogar fast unmöglich war, über einen Tisch, einen Stuhl, Licht und einen ruhigen Augenblick zu verfügen; und ich muß anerkennen, daß immer jemand da war, der mich mit derartigen Luxusgütern versorgte.
Ich kann zum Beispiel einen Zimmermannstisch nicht vergessen, der in einem kleinen Schuppen stand und sich durch die liebevolle Hingabe der Hausherren in einen wunderbaren, himmlisch bequemen und ewig denkwürdigen Schreibtisch verwandelte und der, im guten oder im schlechten Sinne, an den Kapiteln 34 und 35 schuld ist.
Ich kann ein winziges Zimmer nicht vergessen, wo ein junges Paar, sein Säugling, ein Hund und ich zusammen wohnten; und ich nehme an, daß auch sie jenes lästige Klappern nicht vergessen können, das schon um sechs Uhr früh aus der Küche zu ihnen drang (zu meiner Entlastung schwöre ich, daß ich es nur ganz selten unterlassen habe, die Tür sorgfältig zu schließen und eine gefaltete Decke unter die Maschine zu legen).
Ich kann den Menschen nicht vergessen, der eifrig, Kapitel für Kapitel, einen Durchschlag der Originale in Verwahrung nahm (man erinnerte sich nur zu gut des Schicksals, das Haroldo Conti getroffen hatte), und auch den nicht, der mir in seiner Arbeitszeit half, mit dem Roman voranzukommen, ebensowenig den, der mich mit Papier versorgte, und den, der mir einen seltsamen (noch nicht patentierten) Apparat baute, damit ich mit einem Arm in Gips schreiben konnte, .....

zum Autor
Der heute in Mexiko lebende argentinische Schriftsteller Humberto Costantini, geb. 1924 in Buenos Aires, studierte Veterinärmedizin und debütierte 1959 mit dem Erzählungsband De por aqui nomás. Er schreibt Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke, die mehrfach ausgezeichnet wurden, und arbeitet als Journalist für so bekannte Literaturzeitschriften wie „Casa de las Americas“ in Kuba, „Plural“ in Mexiko und „Swesda“ in der USSR. Volk und Welt stellte ihn mit der Erzählung Worüber lachst du? (in Erkundungen, 20 argentinische Erzähler 1975) zum erstenmal in der DDR vor. Für den Roman Von Göttern, Menschlein und Polizisten erhielt Costantini 1979 den bedeutenden lateinamerikanischen Literaturpreis von „Casa de las Americas“.
Erzählungsbände: Un Señor alto, rubio, de bigotes 1963, Una vieja historia de caminantes 1969, Libro de Trelew 1973, Bandeo 1975, En la noche 1981;
Kurzromane: Háblenme de Funes 1970;
Gedichte: Cuestiones con la vida 1966, Más cuestiones con la vida 1974;
Theaterstück: Tres monólogos 1964

Originaltitel: De Dioses, hombrecitos y policías
Aus dem Spanischen von Ulrich Kunzmann
Einbandentwurf: Horst Hussel

Verlag Volk und Welt, Berlin

1. Auflage 1984  

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