02 Juli 2023

Max Frisch: Stiller

Max Frisch (geb. 1911) „liebt, wie Brecht, den Zweifel als Arbeitsprinzip. Er hilft ihm, Personen, Sachen und Problemen ihre Schauseite nicht abzukaufen, sondern um sie herumzugehen, bis sie, durch die eigene Bewegung des Autors, körperlich werden; bis man ihre sinnliche Richtigkeit erlebt. Aber indem diese Sprache ihren Gegenstand endgültig zu treffen scheint, hält sie ihn zugleich der Nachprüfung offen. Frisch wendet das Prinzip seiner Erfindung, die Frage, auch auf die Produkte der Erfindung an. Was sie dann liebenswürdig macht – ohne Anheimelung –, ist nicht nur der Schein ihrer Wahrhaftigkeit, so kräftig er ist; es ist noch eine andere Erleuchtung: daß sie möglich sind.
Max Frischs Kunst lebt aus dem Möglichkeitssinn, darum lebt sie so; sie zieht dabei auch den persönlichen Stoff des Empfängers, des Lesers heran. Sie spielt mit dem, was er sich selbst gewünscht, sich verboten oder versäumt hat; was ihm als Möglichkeit zu sich selber fehlt. Wäre das Wort noch brauchbar, man müßte diese Kunst bis in ihre Sachlichkeit hinein eine Kunst der Sehnsucht nennen.“
Adolf Muschg



Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig
Reclams Universal-Bibliothek Band 1131
Belletristik

1. Auflage 1986 

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