21 Dezember 2023

Elke Willkomm: Das Mirakel von Bernsdorf

Sie erkennen ihn nicht auf den ersten Blick, die von Bernsdorf, als Michel Marten, Offizier der Armee Bonapartes, am Weihnachtsabend 1807 ihren Salon betritt. Vor Jahren war er der Gefährte der Bernsdorf-Kinder, er, der Enkel des Dorfpfarrers und illegitime Sohn des Barons. Er entfloh jedoch der Perspektive, Dorfschulmeister zu werden, und schlug sich auf den Spuren seines „eigentlichen“ Vaters Heinrich Marten an die Seite der französischen Jakobiner durch. Er erlebte alle Höhen und Tiefen der Revolution, folgte Heinrich Marten aber nicht unter die Anhänger Babeufs, weil er ahnte, dass sich die Hoffnung auf das Bonheur Commune – das Glück des Volkes – nicht erfüllen würde. Er leidet unter seiner Inkonsequenz, vor allem, als er in seiner Heimat alte Freunde wiedertrifft, darunter Henriette von Bülow, die er liebte und die sich wie er von der Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit begeistern ließ. Sie, jetzt die Frau eines geachteten preußischen Beamten, sieht durch Michels Erscheinen ihre Hoffnung auf Veränderungen neu belebt. Michel gewinnt das Vertrauen seiner Landsleute, als er bereit ist, für ihre Interessen gegenüber dem Baron einzustehen. Doch an der Spitze der Bauernerhebung macht er sich eines Vergehens gegen Befehle seines Generals schuldig, und alle wissen, dass nur ein Wunder ihn vor dem Tod retten kann.

Eintragung im Kirchenbuch zu Bernsdorf (Königreich Preußen) vom 27. 12. 1807:
Ein Wunder ließ Gott geschehen in einer wunderarmen Zeit. Am heutigen 27. Dezember des Jahres 1807 geschah an uns allen und besonders an dem hierselbst anno 1773 geborenen Michael Jakob Mathias Marten ein Wunder Gottes.
Besagter Marten, der auf Befehl der französischen Militärbehörde am heutigen Abend acht Uhr durch Erschießen vom Leben zum Tode gebracht werden sollte, wurde am heutigen Vormittag, während die Gemeinde vollzählig in der Kirche versammelt war und von Gott ein Wunder erflehte, von einem Engel gen Himmel getragen, derart, daß in der fest verschlossenen Kammer nichts von ihm zurückblieb als seine Kleider und Stiefel, die in der gleichen Anordnung, wie er sie getragen, auf dem Strohsack liegend vorgefunden wurden. Der Herr hat uns ein Zeichen gegeben, ein sichtbares Zeichen. Wir werden uns seiner Gnade würdig erweisen. Amen.
Pfarrer zu Bernsdorf, Emanuel Kienast

Einband und Schutzumschlag von Hans-Georg Gerasch
 
Verlag Neues Leben, Berlin

1. Auflage 1977
2. Auflage 1978
3. Auflage 1979
4. Auflage 1982

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