29 Dezember 2023

Zyden-Shap Shimbijew: Das Jahr der feurigen Schlange

Was ist das schon für ein Mann, der nie im Leben ein Pferd zu- geritten hat? So denkt Batoshab, der halbwüchsige Burjate, der sich bald als Mann, als Pferdehirt bewähren muß. Ihm vertraut man, als der Krieg alle Wehrfähigen aus dem Steppendorf holt, die Herde an. Jede Nacht bringt er mit ihr auf der Steppe zu. Ein Pferdedieb macht ihm zu schaffen. Seltsame Dinge beobachtet und ahnt er. Eine „Hellseherin“ trägt Verwirrung unter die Dorfleute. Gibt es Zusammenhänge zwischen ihren Prophezeiungen und jenen Soldatenbriefen, die den Empfänger nicht erreichen? Die entlegene Siedlung ist keine Idylle. Die Abwesenheit gereifter Männer läßt insgeheim religiösen Kult auferstehen, dessen betrügerische Initiatoren vom jungen Hirten und seinen Freunden aufgespürt werden. Batoshab muß entscheiden, was Aberglaube, was Realität ist.
Die Begegnung mit einem Deserteur fordert seinen Mut heraus.
Shimbijews schlichte, naturnahe Erzählweise, die Schilderung des Entstehens einer zarten Liebe und nicht zuletzt die sich zuspitzenden Konflikte halten den Leser gefangen. Besonderen poetischen Reiz gewinnt der Band durch seine Bilder vom Leben der zwischen Baikalsee und Mongolei lebenden Burjaten.
Der Roman, die erste größere Veröffentlichung des 1928 in Transbaikalien geborenen Schriftstellers, fußt auf eigenen Erlebnissen.

Buchanfang:
Am Tage...
Schlechte Nachrichten haben Flügel.
„Krieg!“
„Es ist Krieg!“
Über Flüsse und Berge, durch Steppen und Taiga ist die Nachricht von Westen her zu uns ins Baikalgebiet gelangt.
„Krieg!“
„Es ist Krieg!“
Das ganze Gangata-Tal ist in Bewegung geraten. Ich habe als erster diese Nachricht unserer Familie überbracht.
Als ich berichtet habe, drückt Großmutter die flache, altmodische Kappe auf den kurzgeschorenen, wie mit Reif überzogenen weißhaarigen Kopf, nimmt den Rosenkranz mit den beinernen Perlen, die von den Fingern der Urgroßmütter ganz blank geworden sind, und setzt sich auf die Haustreppe. Aber sie betet nicht, sondern brummt wütend: „Das habt ihr von eurem Rumtoben! Ihr müßt ja auch von morgens bis abends mit euern Gewehren rumlaufen! Krieg spielen! Als ob's keine anderen Spiele gäbe! Ich hab gewußt, daß das zu nichts Gutem führt. Jetzt haben wir Krieg, wir werden so viel davon bekommen, daß er uns allen zum Hals raushängen wird ... Jawohl! Jetzt hat's uns erwischt! Ihr seid selber schuld. dran!“
Vor Eifer richtet sie sich sogar ein wenig hoch, wobei sie ihren braunen Sommerkittel, den Terlik, aufrafft.
Ich sage nichts dazu, denn Großmutter ist die Älteste in der Familie und ich der Jüngere, obzwar nicht der Allerjüngste. Ich sage nichts, aber ich weiß, daß die deutschen Flugzeuge ........

Titel der burjatischen Originalausgabe: GAL MOGOI SHEL
Deutsch von Ingeborg Kolinko. nach der russischen Ausgabe

Einbandentwurf: G. Ruth Mossner

Verlag Volk und Welt, Berlin

1. Auflage 1977
[keine weiteren Auflagen]

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