18 Oktober 2024

Günter Schade: Berliner Porzellan – Zur Kunst- und Kulturgeschichte der Berliner Porzellanmanufakturen im 18. und 19. Jahrhundert

Buchanfang:
Vorwort
Als im Jahre 1709 der berühmte Alchimist Johann Friedrich Böttger in einem Laboratorium auf der Dresdener Jungfernbastei nach langen und systematisch durchgeführten Versuchen einen neuen keramischen Werkstoff gefunden hatte, der dem chinesischen Porzellan in allen seinen Eigenschaften ähnlich war, begann in der Geschichte der jahrtausendealten europäischen Keramik ein neuer Albschnitt der Entwicklung. Mit der 1710 erfolgten Gründung der ersten europäischen Porzellanmanufaktur auf der Albrechtsburg in Meilßen waren auch bald schon alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, diese Entdeckung technisch und künstlerisch so zu vervollkommnen, daß bereits 1713 die ersten Porzellane auf der Leipziger Ostermesse angeboten wer den konnten.
Durch die Mitarbeit so hervorragender Künstler wie Johann Gregor Höroldt und Johann Joachim Kändler erhielten die anfangs ausschließlich an ostasiatischen Vorbildern orientierten Porzellane der Meißener Manufaktur schon bald ihren eigenen künstlerischen Stil, der für das deutsche Porzellan insgesamt von großem Einfluß und weitreichender Bedeutung werden sollte.
Vom Erfolg der Meißener Manufaktur angeregt, entstanden bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in vielen europäischen Ländern gleiche Unternehmen, die das begehrte Porzellan zur Erhöhung des »Glanzes und der Würde« ihrer meist fürstlichen Besitzer, aber auch zu rein merkantilen Zwecken produzierten.
In Berlin, der Residenz der brandenburg-preußischen Könige, entstand jedoch erst relativ spät auf Initiative des Kaufmanns Wilhelm Kaspar Wegely im Jahre 1731 die erste Manufaktur, obwohl schon 1713 mit Hilfe eines aus Meißen entflohenen Mitarbeiters in Plaue an der Havel der Versuch unternommen wurde, dem Geheimnis des weißen, echten Meißener Porzellans auf die Spur zu kommen. Auch der damals bekannte Berliner Chemiker Johann Heinrich Pott hatte zwischen 1740 und 1746 ernst haft an der Entdeckung des Porzellans gearbeitet, jedoch seine Versuche mangels finanzieller Unterstützung durch den Landesherrn wieder einstellen müssen.
In der vorliegenden Darstellung der Geschichte des »Berliner Porzellans« sollen diese nicht uninteressanten Vorstufen der Entwicklung, ihre historische Bedeutung und auch die Ursachen ihres Scheiterns im Zusammenhang mit den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erläutert werden. Insofern schließt der Begriff Berliner Porzellans diese Phasen der Entwicklung ebenso mit ein wie die der privaten Manufakturen von Wilhelm Kaspar Wegely und Johann Ernst Gotzkowski zwischen 1751 und 1763. Der künstlerisch und kunstgeschichtlich bedeutendste Abschnitt beginnt jedoch erst mit der Übernahme der Manufaktur Johann Ernst Gotzkowskis durch König Friedrich II. im Jahre 1763; von da an entwickelte sich die Manufaktur zu einem der führenden Unternehmen dieses Industriezweiges. Ganz im Sinne des in der barocken Kunst des 18. Jahrhunderts angestrebten Gesamtkunstwerkes, jener Synthese zwischen Architektur, bildender und angewandter Kunst, sind die großen Service der Berliner Manufaktur vom gleichen geistigen und gestalterischen Ideengehalt geprägt wie die Innenausstattung der preußischen Schlösser in Berlin und Potsdam. Hier liegt nicht zuletzt auch ihre weit über die künstlerische Stellung der Porzellane anderer Manufakturen dieser Zeit hinausgehende Bedeutung.
Aber auch die für auswärtige Besteller und den Verkauf bestimmten Service, Figuren, Gruppen und Einzelstücke sind von einer so hohen künstlerischen und technischen Qualität, daß sie zu dem Besten gehören, das in dieser Zeit überhaupt aus Porzellan hergestellt wurde. Die Vielfalt künstlerischer Formen, die Schönheit der plastischen Gestaltung und nicht zuletzt die hohe Qualität der Malerei trugen zu dem guten Ruf des Porzellans mit den Marken der Berliner Manufakturen bei.
Das ständig wachsende Interesse der Öffentlichkeit an den Kunstschätzen der Vergangenheit – allein die hohen Besucherzahlen in den Museen legen davon ein eindrucksvolles Zeugnis ab – ruft gleichzeitig ein großes Bedürfnis nach weitergehenden Informationen über kunstgeschichtliche Zusammenhänge, historische Hintergründe und Interpretation der Kunstwerke selbst hervor. Diesem Bedürfnis Rechnung tragend, soll der vorliegende Band allen Freunden der Porzellankunst in einer auf das Wesentliche beschränkten Zusammenfassung den geschichtlichen und künstlerischen Werdegang des Berliner Porzellans anhand der historischen Überlieferungen und der Kunstwerke aus einem nahezu 250 Jahre umfassenden Zeitraum selbst erläutern. Dabei konnte sich der Verfasser auf die Bestände in den Museen Berlin, Potsdam, Dresden, Weimar, Schwerin, Köln, Frankfurt am Main und Leningrad stützen sowie auf die umfangreiche, zu diesem Thema vorliegende Literatur, die in den Anmerkungen und im Anhang in ihren wichtigsten Teilen genannt ist.
Allen Kollegen und Freunden, die dem Verfasser bei der Vorbereitung der Arbeit hilfreich zur Seite standen, sei an dieser Stelle noch einmal recht herzlich gedankt.

Inhalt:
1 .......... Vorwort
9 .......... 1. Zur Geschichte des Porzellans
              Die Herkunft des Porzellans aus China (9), Die Chinamode in Europa zur Zeit des Barocks (9),
              Die Erfindung des europäischen Porzellans in Dresden (10),
              Die Bedeutung des Porzellans im 18. Jahrhundert (12)
13 ........ 2. Zur Technologie der Porzellanherstellung
              Die Ausgangsstoffe Kaolin. Feldspat, Quarz (13), Die Aufbereitung der Rohstoffe (15), Die
              Formgebung des Porzellans (16), Das Brennen des Porzellans Die Brennöfen (18),
              Die Bemalung des Porzellans (20)
23 ........ 3. Erste Versuche der Porzellanherstellung in Brandenburg-Preußen am Anfang des 18. Jahrhunderts
              Die wirtschaftliche Bedeutung der Porzellanmanufakturen im 18. Jahrhundert (23), Die
              Steinzeugmanufaktur in Plaue (Havel) 1713-1730 (23). Versuche Johann Heinrich Potts zur Erfindung
              des Porzellans in Berlin (1740-1746) (45)
57 ........ 4. Die erste Berliner Porzellanmanufaktur Wilhelm Kaspar Wegelys (1751-1757)
              Die Gründung der Manufaktur (57), Die Erzeugnisse der Wegely-Manufaktur (19), Die Auflösung der
              Wegelyschen Manufaktur (62)
82 ........ 5. Die Porzellanmanufaktur Jobann Ernst Gotzkowskis (1761-1763)
              Gründung, Aufbau und Niedergang (82), Die Porzellane der Manufaktur (86)
106 ...... 6. Die wirtschaftliche und technische Entwicklung der Königlichen Porzellanmanufaktur im
                  18. und 19. Jahrhundert
              Der Ausbau der Manufaktur nach 1763 (106), Zur Lage der Arbeiter in der Königlichen
              Porzellanmanufaktur im 18. Jahrhundert (107), Absatz und Preise des Porzellans (111),
              Die Entwicklung der Manufaktur von 1787 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (122)
133 ...... 7. Die Entwicklung der Geschirrformen im 18. Jahrhundert
              Die Tafelservice für Friedrich II. (135), Die Geschenkporzellane Friedrichs II. Das Dessertservice für
              Katharina II. (138), Weitere Erzeugnisse aus dem Fertigungsprogramm Tee, Kaffee- und
              Toilettenservice, Vasen, Uhren (141)
165 ...... 8. Die Entwicklung der Porzellangeschirre vom Klassizismus bis zum Biedermeier
              Die klassizistischen Service (161), Klassizistische Tassen und Ansichtsporzellane (167), Der
              Befreiungskrieg im Spiegel des Berliner Porzellans (169). Die Vasen der ersten Hälfte des
              19. Jahrhunderts (171), Die Porzellaneier (172), Die Tischplatten (189)
190 ...... 9. Die Entwicklung des figürlichen Porzellans bis zum Klassizismus
198 ...... 10. Historismus und Jugendstil
210 ...... Anhang
              Anmerkungen (210), Erläuterung der Fachausdrücke (214), Literaturauswahl (211), Verzeichnis der
              Porzellanmarken (217), Verzeichnis der Tafeln (218)

Fotos: Walter Danz

Koehler & Amelang Leipzig
1. Auflage 1978
2. erw. Auflage 1986

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