08 Oktober 2024

Hardy Worm: Streifzüge eines Ironikers – Feuilletons, Geschichten und Gedichte

Verlagstext:
Hereinspaziert, hereinspaziert in das Panoptikum menschlicher Leidenschaften! Erleben Sie mit, geneigter Leser, wie sich Höhen und Tiefen menschlicher Emotionen in der bewegten Zeit der zwanziger Jahre beflügelnd oder zerstörend auf so manches Schicksal auswirkten. Haben Sie keine Angst, wenn der Autor Sie in die finsteren Gegenden der brodelnden Millionenstadt Berlin führt, wenn Sie dort zwielichtigen Gestalten wie der »Sporenjette«, dem »Studenten-Willy« oder einem älteren Herrn mit dem Spitznamen »Nutten-Emil« begegnen. Sollten Sie vor den Enthüllungen über den »Bordellbetrieb am Kanal« zurückschrecken, so greifen Sie lieber nicht zu diesem Bänd- chen sagen Sie nicht, Sie seien nicht gewarnt worden! Haben Sie schon von der letzten Blutegelhandlung Berlins und ihrer interessanten Besitzerin gehört? Oder von der tragischen Liebesgeschichte zwischen dem jungen Klünzing und seiner Bianka? Nein? Nun, hier – nur wenige Seiten weiter – können Sie auch davon erfahren!
Der antifaschistische Journalist Worm kommt ebenfalls zu Wort, mit mahnenden und mit bissig-ironisch abrechnenden Texten, beispielsweise anläßlich eines Besuches im Nazipropagandaamt Wien. Die chronologisch angeordneten Texte aus den Jahren 1921 bis 1945 bieten sicher für jeden Interessantes. Überzeugen Sie sich selbst!

Der Autor:
HARDY WORM (1896–1973) zählt zu den brillanten Publizisten der Weimarer Republik, ist Autoren wie Erich Kästner, Walter Mehring, Alfred Polgar, Kurt Tucholsky und Erich Weinert geistes- verwandt. Zu Unrecht lange Zeit vergessen, er- leben seine wiederaufgefundenen Texte heute eine beachtliche Publikumswirkung. Worm trat hervor als sozialkritischer Erzähler, Satiriker und Humorist, Gebrauchslyriker à la Kästner, feinsinniger Feuilletonist und Autor von Kriminalromanen. In den zwanziger Jahren arbeitete er unter seinem Namen und mehreren Pseudonymen für die Linkspresse und leitete von 1931 bis zum Verbot 1933 das antifaschistische satirische Blatt „Die Ente“. Nach den Jahren des Exils in Frankreich und England ließ er sich 1945 in Österreich nieder.

Buchanfang:
Morks letzte Flucht
Das sollte nun unabänderlich die letzte Tat sein in dieser Stadt.
Alles finster im Hausflur. Stille. Manchmal der Schritt eines in oberer Etage Gehenden.
Mork steckt den Dietrich ins Schloß. Rechts herumdrehen. Knirschen. Verdammt! Kommt da nicht jemand? Ruhig, Mork! Auf der Straße geht jemand vorüber. Polizist? Wieder hinein den Dietrich. Habe die Tür. Helles Knacken. Tür springt auf. Ruhig, Mork! Schritte! Stille im Haus.
Geruch von Gebratenem im Korridor. Sollte doch jemand zu Hause sein? Vorsicht, Mork! Leicht ist Schrei ausgestoßen. Tumult. Lärm. Polizei. Prozeß. Elektrischer Stuhl. Vorsicht, Mork. Langsam, leise durch den Korridor. Steht dort nicht ...? Ran an die Wand. Garderobenständer. Lächerlich. Die verdammten Nerven. Ruhig sein, kalt sein!
Mork drückt die Klinke herunter. Parfümierte Luft. Falsches Zimmer.
Zweite, dritte, vierte Tür.
Dicke Teppiche. Hier muß Schrank stehen. Elende Finsternis. Jalousie heruntergelassen. Alles verreist. Die Taschenlampe zuckt auf. Silber im Spind. Kleinkram! Geld will er. Geld im Geheimfach des Schreibtisches. Schwere Eiche. Vierter Kasten. Doppelter Boden. Der Alte wird Augen machen! Wirklich tüchtigen Privatsekretär gehabt, wirklich tüchtigen Schloß... auf... äh... Krach. Ruhig, ruhig. Tappende Schritte auf Flur! Sollte doch...? Verdammt! Licht aus. Stille.
Nichts! Lächerlich diese Angst. Aha, Schloß gibt schon nach. Noch ein Knack! Auf! So links entlang tasten... erhöhte Stelle... Alte hat's selbst erklärt Idiot!... Boden zurück Ah... Geld, Geld, Scheine. Rein in die Taschen.

Inhalt:
Morks letzte Flucht .......... 5
Das weibliche Dienstjahr .......... 9
Wir marschieren .......... 11
Brutalität ist Trumpf .......... 13
August 1914, August 1921 .......... 14
Der Wucher-Rummel .......... 16
Die Hetze der Straße .......... 21
Der Parteitag der Unentwegten .......... 23
Die Heimkehr .......... 25
Bilder aus dem finsteren Berlin .......... 33
Der Geist von Sedan .......... 38
Streifzüge eines Ironikers .......... 40
Wie lange noch? .......... 45
Die Maifeier .......... 46
Der Defraudant .......... 48
Herbstode .......... 56
Wählt national! .......... 58
Völkische Fahnenweihe .......... 59
Unter den Brücken Berlins .......... 60
Berlins letzte Blutegelhandlung .......... 62
Die linden Lüfte sind erwacht .......... 65
Weekend .......... 66
Ihr Junge .......... 67
Frühlingssalat .......... 73
Berliner Bilderbogen .......... 75
Kleine Fahrstuhlführerin .......... 78
Im Sumpf .......... 79
Der neue Mieter .......... 87
Sherlock Holmes und die Gummischuhe .......... 91
Quer- und Kaiserschnitt .......... 95
Bählamms Erziehung .......... 97
Zehn Jahre Diktatur .......... 99
Ein Anbiedermann .......... 101
Es war niemand dabei .......... 105
Sparta, Sparta, du entschwandest .......... 109
Die Kaserne .......... 112
Pferdekraft durch Freude .......... 116
Ein Bilderbuch .......... 119
Eingefrorene Propagandatrompete .......... 122
Hardy Worm und seine Pseudonyme .......... 127

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Wolfgang U. Schütte
Umschlagillustration von Karl Holtz
Foto auf der 4. Umschlagseite aus dem Archiv W. U. Schütte

Interpunktion und Orthographie wurden, sofern sie nicht Besonderheiten Wormscher Schreibweisen sind, den Regeln des Dudens behutsam angeglichen.

Verlag Tribüne, Berlin
Reihe:
angebote
1. Auflage 1982

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