Einbandtext:
„‚Komiker’ hatte sie zu mir gesagt, und ziemlich abfällig. Und von oben herab, von diesem stinkenden ‚Enduro’ herunter. Sie bildete sich vielleicht ein, mit diesem Haufen Blech unterm Hintern wäre sie was Besseres. Nee, Donna Wasserblau, nicht mit mir! Nicht mit Wolf Krautzig. Sollte sie einen Freund haben in der Zehnten oder Elften oder auf den Fidschiinseln, meinetwegen, sollte sie!“ – Aber so leicht geht Wolf die hübsche Nina nicht aus dem Sinn. Mit ihr machten die Frühjahrsarbeiten im Garten richtig Spaß, zu denen Vater ihn während seiner Abwesenheit vergattert hatte. Und Nina gefiel doch auch die Selbständigkeit, die sie an Wolfs Seite auskosten konnte. Ein Telegramm vom Vater an Wolf – und an Nina! – bringt Wolf wieder auf die Beine, genauer: aufs Fahrrad.
Buchanfang:
Ich ließ mich auf den Teppich sinken. Meine Beine wollten allerdings nicht in diesen verdrehten Schneidersitz. Ich sah noch einmal auf das Foto: Der Jüngling saß entspannt und sah mich wie gelangweilt an. Der halbe Knoten in den Beinen konnte ihm keine Mühe gemacht haben.
Wenn ich da an Otto dachte ... Nein, das würde er nie schaffen. Mein Vater Otto Krautzig brachte nicht mal einen ordentlichen Knoten in seine einzige Krawatte. Aber die Gesundheitszeitung kam wohl auch mehr zu seiner Beruhigung monatlich einmal ins Haus geflattert. Diesmal mit Joga.
Der Knabe auf der Titelseite hatte mich dazu gebracht, so ungewöhnlich auf den eigenen Beinen zu sitzen.
Ich wollte mit der zweiten Übung beginnen: »Warten Sie nach normaler Ausatmung im Stehen, Sitzen oder Liegen, ohne weiter zu atmen, ab, was geschieht.«
Erst geschah nichts, dann klingelte es Sturm.
Ich hatte Mühe, mich wieder auf die Füße zu bringen. Ich schnappte nach Luft und konnte mir kaum vorstellen, daß ich jemals ein Joga-Fan wurde. Es klingelte noch einmal.
Ich hörte unten die Haustür klappen und rief: »Ist da wer?« Keine Antwort.
Bis zur Haustür waren es drei Stockwerke. Ich wählte den kleinen Rhythmus: nur bei jedem zweiten Schritt eine Stufe überspringen. Die Wechselsprechanlage kam mir wieder in den Sinn. Otto wollte sich die Sache überlegen, das dauerte schon ein Jahr.
Unten fiel mir der Aufkleber sofort ins Auge »Telegramm im Briefkasten«. Den Briefkastenschlüssel holte ich im großen Rhythmus: bei jedem Schritt zwei Stufen auslassen.
Natürlich ein Telegramm für Gerlinde. Wer es mit mir eilig hatte, kam persönlich per Fahrrad oder Moped. Diesmal war es anders. »Wolf Krautzig« stand auf der Depesche, und das war in diesem Haus kein anderer als ich selbst. Trotzdem fummelte ich das Telegramm nur zögernd aus dem Umschlag.
»Danke. Dein Vater.«
Ich las es dreimal und suchte, ob auf dem Papier noch an anderer Stelle ein Satz versteckt war. Ich fand keinen – aber mir dämmerte langsam, was Otto alles in dieses eine Wort hineingeschrieben hatte. .....
Illustrationen Hans Ticha
Für Leser von 12 Jahren an
Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1986
2. Auflage 1989
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