29 Januar 2025

Rudolf Hirsch: Um die Endlösung – Prozeßbericht über den Lischka-Prozeß in Köln und den Auschwitz-Prozeß in Frankfurt/M.

Einbandtext:
In dem Mordprozeß gegen Lischka, Hagen und Heinrichsohn berichtet eine Zeugin, daß im August 1942 etwa 4000 Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren aus verschiedenen Lagern nach Drancy kamen, ein Schildchen um den Hals mit ihrem Namen, ständig von einer Wolke Insekten umgeben – krank, verwahrlost, verhungert, fast alle hatten die Ruhr. Eine Kohlsuppe und Saft vom Sauerkraut war ihre einzige Nahrung. Für 4000 Kinder gab es nur vier Handtücher im Lager, 4000 Kinder – „kleine Menschlein, die nicht richtig gelebt hatten“ – warteten auf den Abtransport in den Tod, herausgesucht von einem Prokuristen Lischka, von einem Bürgermeister Heinrichsohn in die Waggons getrieben.

Rudolf Hirsch, der als Gerichtsreporter am Auschwitz-Prozeß in Frankfurt am Main sowie am Lischka-Prozeß in Köln am Rhein teilnahm, vermittelt in seinen authentischen Berichten ein erschütterndes Bild von der Unmenschlichkeit faschistischer Massenmörder und von westdeutscher Rechtsprechung.

Buchanfang:
Zur Einführung
In diesem Buch wird an zwei Prozessen vor westdeutschen Gerichten die barbarische Praxis des Abtransports und der Ermordung von Juden und anderen Gegnern der Nazis gezeigt. Als Reporter aus der DDR, als aktiver Antifaschist, nahm ich am Auschwitz-Prozeß in Frankfurt am Main (1963-1965) und am Lischka-Prozeß in Köln am Rhein (1979-1980) teil, sah mit eigenen Augen die Mörder, hörte mit eigenen Ohren. In beiden Verfahren geht es um die Ermordung von Menschen in den KZ-Lagern rund um Oświęcim, 50 Kilometer von Krakow und 30 Kilometer von Katowice entfernt, im allgemeinen unter Auschwitz bekannt.
Im Kölner Prozeß waren Lischka, Hagen und Heinrichsohn angeklagt, jüdische Menschen aus den besetzten und unbesetzten Gebieten von Frankreich nach Auschwitz zur Ermordung transportiert zu haben.
Mulka und andere waren im Frankfurter Auschwitz- Prozeß wegen Ermordung der nach Auschwitz verschleppten Menschen angeklagt.
Die Menschen, die einen schrecklichen Tod in den Gaskammern erleiden mußten, kamen aus Deutschland oder aus den von den Nazis besetzten und beherrschten Gebieten Europas, Menschen, denen man nichts anderes vorwerfen konnte als ihre Abstammung.
„Deutschland erwache, Juda verrecke“, so hallte es durch die Straßen und Gassen der deutschen Städte und Dörfer vor der Machtergreifung. In Auschwitz – aber auch in Maidanek, Treblinka, Sobibor und hunderten anderen KZ – wurde dies blutige Wirklichkeit.
Den Judenhaß hatten die Nazis nicht erfunden; Judenhaß ist eine alte Ideologie in Deutschland. Tausend, vielleicht sogar schon zweitausend Jahre alt. Wenn wir die Wurzeln bloßzulegen versuchen, geschieht es nicht, um etwas zu verzeihen oder um zu sagen: Weil die Geschichte so verlaufen ist, mußte es ja so kommen. Nein, es mußte nicht so kommen. Der Judenhaß oder modern pseudowissenschaftlich Antisemitismus genannt, war keineswegs Allgemeingut. Er hatte weite Teile des deutschen Besitzbürgertums beeinflußt, auch in der ländlichen Bevölkerung war er verbreitet und im Mittelstand.
In der Arbeiterklasse, in den großen Arbeiterparteien war er unbekannt, wurde er abgelehnt und leidenschaftlich bekämpft. Auch bei vielen gläubigen Menschen, bei Männern und Frauen der Bekennenden Kirche, bei praktizierenden Katholiken und in einem großen Teil des katholischen Klerus hatte er keine Wurzeln. Und bei bürgerlichen Humanisten fand er keinen Widerhall.
Bis etwa zum Jahre 1880 hatte der Judenhaß keine rassische Motivation. Vorher hieß es: Die Juden haben Christus gekreuzigt, sie schänden Hostien, sie schlachten Christenkinder, sie sind Gottesmörder, und sie haben Brunnen vergiftet.
Die Wurzeln des alten und des neuen Judenhasses haben denselben Nährboden; es sind wirtschaftliche Gründe. Nur deswegen erscheint es mir notwendig, die Rolle des jüdischen Teils der deutschen Bevölkerung zu untersuchen, ihre so wichtigen wirtschaftlichen Funktionen in der zweitausend Jahre alten Geschichte in den Gebieten Deutschlands und Österreichs aufzuhellen.
Die Juden kamen mit den Römern in die deutschen und österreichischen Gebiete. Sie kamen mit anderen Händlern von den Küsten des östlichen Mittelmeeres. Sie ließen sich zuerst in den römischen Kastellen an den Ufern der großen Ströme nieder. In Worms, in Köln, in Speyer, in Trier, in Mainz, in Regensburg, in Wien.
Diese Händler brachten auch ihre Götter in die keltischen und germanischen Gebiete mit. Heute noch sind die bildlichen Darstellungen der anderen Händlergruppen in Köln zu sehen. Aber im Laufe der Jahre, mit der Verbreitung des Christentums, gaben sie ihre Religionen auf.
Die meisten der Juden blieben jedoch bei ihrem Glauben an den unsichtbaren Gott, sie hielten fest an den Lehren des Alten Testaments, das sie mitgebracht hatten. Sie hielten fest am Gesetz. Sie brachten aber auch ihre mündliche Lehre mit oder übernahmen sie. Die mündliche Lehre, der Talmud, wurde in den ersten Jahrhunderten nach Christus in Babylonien (Südirak) kodifiziert.
Der Talmud, ein sehr umfangreiches Gesetzbuch über Religions- und Speisevorschriften des Judentums, über Ehe- und Familienrecht, enthält aber auch ein Strafgesetzbuch und ein Zivilgesetzbuch, die Anfänge des Handelsrechts. Diese Vorschriften sind im Talmud vielfach ausgelegt, mit Diskussionen der verschiedenen Autoritäten erläutert. Und die Kommentare sind noch einmal kommentiert. Und daneben viele Legenden und religiöse Erbauungsgeschichten. Es ist ein außerordentlich schwer zu lesendes und schwer zu begreifendes Werk.
Die Rabbiner, die Talmudgelehrten, wurden Richter innerhalb der Judengemeinden, sie sprachen Recht nach den Gesetzen des Alten Testaments und den Auslegungen des Talmuds. Ihre Entscheidungen wurden von den Juden in aller Welt anerkannt. So wirkte der Talmud faktisch im frühen Mittelalter als das erste international gültige Handelsgesetzbuch der Welt.
Im frühen Mittelalter beherrschten jüdische Kaufleute mit ihren Karawanen fast allein den Orienthandel. Sie waren spracherfahren, sie hatten überall ihre Stützpunkte, sie brachten die Waren aus Arabien, aus Indien, .......

Einband: Horst Wenzel

Greifenverlag zu Rudolstadt
1. Auflage 1982
2. Auflage 1984
3. Auflage 1986

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