Klappentext:
„Arkanum“: das war im 17. Jahrhundert das kostbare Geheimnis der Herstellung des „weißen Goldes“, des Porzellans. Die Neuerfindung dieses Stoffes, den jahrhundertelang China allein erzeugte, war in Sachsen Friedrich Böttger gelungen. Alle deutschen Fürsten strebten nun danach, sich in den Besitz des Geheimnisses zu setzen und dadurch die Einkünfte ihres Hofes märchenhaft zu erhöhen. Bodo Kühn erzählt die Geschichte des Porzellanmachers Christian Silberschmidt, der in Meißen gearbeitet hat und nach seiner Rückkehr in die Thüringer Heimat das Geheimnis der Porzellanherstellung an seinen Landesherrn verraten soll. Mit wachem Mitgefühl nimmt der Leser an dem Schicksal dieses Mannes, seiner Freunde und Landsleute teil. Die Sympathie des Autors steht auf Seiten der werktätigen Schichten, deren Fleiß und Erfindungsgabe die Hoffnung auf eine bessere Zeit wecken, in der die Früchte der Arbeit nicht mehr dem Eigennutz weniger, sondern dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Buchanfang:
ZUR EINFÜHRUNG
Es geht um das Arkanum. Was das ist? Schlagen wir doch einmal im Wörterbuch nach! Da lesen wir: Geheimnis, Geheimmittel. So finden wir es heute erklärt. Es gab aber eine Zeit, da hatte dieses Wort noch eine tiefere Bedeutung; es war der Inbegriff des geheimen Wissens um die Herstellung des „ächten Porcellains“ wenigstens in der Welt der Herrschenden.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erregte das Arkanum die Gemüter der europäischen Könige und Fürsten, besonders nachdem im Jahre 1708 dem in der Gewalt Augusts des Starken von Sachsen befindlichen Schleizer, „Goldmacher“ Johann Friedrich Böttger unter Mithilfe des Mathematikers und Physikers E. W. von Tschirnhausen in Dresden die Nacherfindung des chinesischen Porzellans geglückt war und 1710 die fabrikmäßige Herstellung auf der Albrechtsburg zu Meißen aufgenommen wurde. Es setzten an den Fürstenhöfen Bestrebungen ein, im eigenen Machtbereich ebenfalls diesen großen Wurf zu tun. Als das nicht gelang, griff man vielfach zu unlauteren Mitteln – man versuchte, dem Sachsenherrscher das Geheimnis der Herstellung durch Bestechung oder Abwerbung von Arbeitern zu entreißen.
Es war ein stiller, aber zäher Kampf um das Arkanum, genährt durch die Sammelleidenschaft der Herrscher und die Suche nach einer reichlich fließenden Geldquelle zum Auffüllen der ständig leeren Staatssäckel. Denn wer das Arkanum besaß.. „Weißes Gold“ nannte man damals das Porzellan, und das besagt alles. Es lohnte sich schon eine kleine oder große Unlauterkeit dem sächsischen Fürstenkollegen gegenüber – wenn sie Erfolg hatte.
Auch den Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar, der das Land von 1712 bis 1748 regierte, hatte das Arkanum so gepackt, daß er die Gefahr eines dunklen Flecks auf dem Fürstenkleid riskierte, um es in seinen Besitz zu bringen. Oder bestand diese Gefahr etwa nicht, als er 1738 durch Mittelsmänner mit einem Porzellanfaktor in Dresden in Verbindung trat, um ihn und mehrere Arbeiter zur Flucht aus der sächsischen Manufaktur an den Hof zu Weimar zu bewegen? Die Zeit hat uns hierzu ein aufschlußreiches Dokument überliefert, und darin ist nicht nur von einer Bestechungssumme die Rede, sondern auch von „ganz schlecht Pappier“ und falschem Siegel, einem „verzogenen Nahmen“, um bei den zu erwartenden Verhandlungen nach außen „allen Verdacht zu evitiren“.
Der hohe Herr hatte aber kein Glück, denn die Verhandlungen zerschlugen sich. Sein Eifer wurde dadurch nicht gelähmt, er trieb ihn aber im gleichen Jahre einem Betrüger in die Arme. Der Mann hieß Johann Christian Glaser. Ihm opferte er zweihundert Reichstaler als Vorschuß auf tausend, in der Hoffnung, durch ihn dem Sachsenherrscher das große Geheimnis doch noch zu entreißen. Hatte doch Glaser sich erboten, das Rezept für „das echte Porcellain, wie es in Meißen bey der dasigen königlichen Porcellain fabrique gefertigt wird, als durchsichtig, schön weiß und feste“ einem Vertrauten des Herzogs bekanntzugeben.
Wie gut war alles vorbereitet! In der Bergstadt Ilmenau auf dem Thüringer Wald sollte in einer Glashütte die Porzellanfabrikation aufgenommen werden. Der Vertraute des Herzogs war auch schon verpflichtet. Ernst August wäre in den Ruf gekommen, nach dem Kurfürsten von Sachsen als zweiter deutscher Fürst das Arkanum in klingende Münze umgewandelt zu haben – wenn Glaser nicht ein Betrüger gewesen wäre. –
Keinem König, keinem Herzog verdanken wir es, daß der Schleier des Geheimnisses um das weiße Gold endgültig zerriß, hier sicherte sich der schöpferische Geist der Menschen „von kleinem Stand“ den Ruhm. Der Schleizer Apotheker Johann Friedrich Böttger schuf 1708 den Anfang. Nach einem halben Jahrhundert folgten ihm der Laborantensohn Georg Heinrich Macheleid aus Cursdorf und der Glasmachersohn Gotthelf Greiner aus Limbach mit einer gleichen Tat: Beide erfanden – beinahe zur gleichen Zeit – unabhängig voneinander und von Böttger das Porzellan noch einmal. Mit Tatkraft und kaufmännischem Weitblick schufen sie die Grundlagen für eine bald mächtig aufblühende Industrie.
Zwischen diesen beiden Daten aber lagen Schicksale – Schicksale von Menschen, die gewollt oder ungewollt mit dem unentwegten Suchen nach dem weißen Gold irgendwie verbunden waren. Arkanum war ihr Stern – und nicht immer ein guter.
Einbandgestaltung Horst Erich Wolter
Union Verlag, Berlin
1. Auflage 1959
2. Auflage 1960
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