27 Juni 2025

Peter Kaiser, Norbert Moc und Heinz-Peter Zierholz: Der Rädelsführer

Einbandtext:
Die drei Flüchtlinge beschleunigten ihre Schritte. Da der Weg jedoch leicht bergan führte, kamen sie nicht allzu schnell voran. Als sie schließlich auf dem Rabenstein anlangten, der durch einen Galgen in der Gewitterstimmung besonders gespenstisch wirkte, fielen die ersten Tropfen. Dick und schwer klatschten sie hernieder, und es war, als öffneten sich Schleusen. Sie suchten unter Bäumen Schutz, doch bald waren sie völlig durchnäßt. So rannten sie weiter die Landstraße entlang. Endlich sahen sie in der Ferne ein Haus. In zwei Fenstern flackerte Kerzenlicht. Sie liefen auf die schützende Behausung zu. Jakob Schaffer klopfte an die starke, eisenbeschlagene Bohlentür. Nach einiger Zeit wurde sie von drinnen ruckartig aufgestoßen. Ein mürrisch blickender, grobschlächtiger Kerl knurrte sie an: „Was wollt ihr denn bei dem Sauwetter hier?“
„Wir suchen eine Unterkunft, laßt uns um Gottes willen ein, wir sind naß bis auf die Haut.“
„Na schön, kommt schon 'rein“, lautete die nicht gerade liebenswürdige Einladung.
Die drei Flüchtlinge sahen sich betreten an. Irgendwie wirkte der Mann unheimlich auf sie...

Heftanfang:
„Johann, mein Junge, wach auf!“ Behutsam versuchte Meister Christoph Wagener seinen Sohn zu wecken. Es dauerte jedoch ein Weilchen, bis der Junge die Augen aufschlug. Doch dann war er mit einem Satz auf den Beinen, streifte sich Hemd und Hose über und folgte, jedes Geräusch vermeidend, dem Vater zur Tür. Dort erwartete sie bereits Jakob Schaffer, der Geselle Wageners. Neben der Tür, in der Dunkelheit kaum erkennbar, lagen drei Bündel, ein kleines für Johann, zwei stattliche für die beiden Männer. Sie enthielten neben Proviant und einigen persönlichen Habseligkeiten auch die notwendigsten Werkzeuge, die der Meister und sein Geselle für die Ausübung ihres Berufes, des Messerschmiedehandwerks, benötigten, sowie einige Messer, die als Tauschobjekte dienen sollten.
Jeder griff sein Bündel. Wagener öffnete vorsichtig die Tür, die er am Abend zuvor so präpariert hatte, daß jetzt auch nicht das leiseste Knarren zu hören war, denn würde Meister Tenner, der die zweite Hälfte des Wagenerschen Hauses bewohnte, oder der Nachtwächter ihr Weggehen bemerken, ihre Flucht wäre zu Ende, ehe sie noch richtig begonnen hatte.
Die lange, schnurgerade Straße der Vorstadt, zu beiden Seiten von Bäumen umsäumt, war menschenleer. Dunkel duckten sich die Häuser, Nirgends brannte Licht. Auch der Nachtwächter war nicht zu sehen. In einiger Entfernung hob sich als schwarzer Schattenriß Neustadt-Eberswalde vom grauen Himmel ab.
Vorsichtig schlichen die drei auf die Straße. Im Schutz der Bäume liefen sie in Richtung Ziegelei, die zur Eisen- und Stahlwarenmanufaktur der Berliner Bankiers Splittgerber und Daum gehörte. Wenige Häuser davor bogen sie nach links ab und überquerten eine kleine Brücke. Eine Wolke schob sich vor die helle Mondsichel. Nach kurzem Fußmarsch erreichten sie die sogenannte Bürgerheide. Schon zeigte ein heller Streifen am Horizont die aufgehende Sonne an.
Die Flüchtlinge schwiegen noch immer und marschierten beharrlich weiter. Sie wollten den Vorsprung gegenüber etwaigen Verfolgern so groß wie möglich halten.
Stunden später, die Sonne stand schon hoch am Himmel, ließen sich Christoph Wagener und seine Begleiter am Rande einer Lichtung nieder. Der Junge rieb sich die zerkratzten Füße. Er war barfuß über den mit Kiefernnadeln übersäten Waldweg gelaufen. Wie die meisten Kinder hatte er für den Sommer nur ein Paar Holzpantinen, und auch die durften nur an Sonn- und Festtagen oder wenn das Wetter gar zu schlecht war, getragen werden; ........

Umschlaggestaltung und Illustrationen Wolf-E. Roß

Militärverlag der DDR, Berlin
Reihe:
Erzählerreihe 263
1. Auflage 1982  

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