24 August 2021

Günther Feustel: Tschurk


 Buchbeginn

Ein Hund hat viele Leben

Matis stellte sich in den Wind. Der Wind war noch eisig. Er trieb ihm feine spitze Schneeflocken wie Nadeln ins Gesicht und drückte ihm die Zipfel seiner Mütze in den Nacken.

Trotzdem - irgendwie roch es nach Frühling! Es waren die letzten Frosttage. Das Tauwetter würde bald kommen, mit ihm ein Atemzug lang Frühling und dann der Sommer, die Ferien, die Zeit mit den Rentierherden, die Abende vor den Zelten, um das Feuer mit dem Kaffeekessel.

Matis lachte dem Wind entgegen, jauchzte vor Freude und pfiff auf zwei Fingern. Weit oben am Hügel löste sich ein Rentierochse aus der ruhenden Herde und kam langsam dem Pfiff entgegen. Es war der alte Ganda, der seit dem vorigen Jahr auf einem Auge blind war. Matis liebte ihn, solange er denken konnte.

Matis schob den Schlitten um das Haus und legte das Geschirr zurecht. Ganda kam näher vorsichtig, Schritt um Schritt. Matis mußte ihn jedesmal überlisten, um ihn ins Geschirr zu bringen. Und immer wieder fiel der alte Ganda darauf herein. Es war fast wie ein Spiel zwischen den beiden - mit festgelegten Regeln.

Matis lief dem Ochsen ein paar Schritte entgegen, sang leise beruhigende Töne. Zögernd kam das Tier näher.

Altberliner Verlag, 1. veränd. Aufl., 1985
Einband und Illustrationen: Dieter Müller



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.