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Mit der Zeitmaschine ins Jahr 1812
Leise und dumpf trommelt der Herbstregen an die Fenster. Er kommt von einem nebel- und wolkenverhangenen Himmel, der sich grau in grau über der Stadt wölbt. Ohne Mitleid reißen die schweren Tropfen die letzten gelben Blätter von den Bäumen, die nun ein kahles Geäst traurig zu den Wolken emporrecken.
Ja, die Zeit der fröhlichen Spiele im Freien ist vorläufig vorbei. Sie wird erst wiederkommen, wenn die Welt weiß ist vom Schnee und die Schlitten und Schier vom Boden geholt werden.
Walter, ein zehnjähriger Junge mit schwarzem Haarschopf und lustiger Stupsnase, sitzt am Fenster der mollig geheizten Stube und trauert den vergangenen Freuden nach. Vor ein paar Tagen noch hat er Fußball gespielt, hat Kastanien gesammelt und mit den anderen Pionieren beim Geländespiel Feld und Wald durchstreift. Nun regnet es und regnet, und es ist jetzt, um fünfzehn Uhr, schon dämmrig im Zimmer. Bärbel, Walters dreizehnjährige Schwester, muß das Licht anknipsen, um ihre Schularbeiten machen zu können.
Lange hält es Walter nicht am Fenster, das schon ganz blind ist vor lauter Regenwasser. Er guckt seiner Schwester über die Schulter, aber etwas Besonderes gibt es auch da nicht zu sehen. Dann geht er zu Vaters Bücherschrank und betrachtet sich die bunten Bücherrücken. Gelb, blau, schwarz und weiß schimmern sie hinter der Glasscheibe hervor, eine Welt für sich, voll von Abenteuern.
Nebenan im Kinderzimmer steht auch ein Regal mit Büchern. Aber die hat Walter alle schon gelesen, und neue, so hat die Mutter gesagt, werden erst wieder zu Weihnachten gekauft. Behutsam berührt der Junge mit der Hand den Schlüssel am Bücherschrank. Vater hat den Kindern verboten, seine Bücher zu nehmen, und das läßt Walter zögern. Aber immer mächtiger wird das Verlangen in ihm, die bunte Bücherwelt der Erwachsenen kennenzulernen. Immer verlockender schauen ihn die farbigen Bücherrücken an. Und immer weiter weg rückt das Verbot des Vaters.
Walter hat den Schrank geöffnet, sein Herz klopft schneller als sonst. Den grauen, regnerischen Herbsttag hat er vergessen, voller Spannung ist er nun, voller Neugier auf das, was er hier in den Bücherschätzen des Vaters finden wird. Noch einmal zögert er. Soll ich, oder soll ich nicht? Doch dieser Gedanke verschwindet wieder, und schon hat seine Hand ein Buch herausgenommen.
Illustrationen und Umschlagentwurf von Hans Wiegandt
Für Leser von 11 Jahren an
Gebrüder Knabe Verlag, Weimar
Reihe: Knabes Jugendbücherei
1. Auflage 1961
2. Auflage 1963
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