25 Februar 2024

Hans Schomburgk: Zelte in Afrika – Fahrten Forschungen - Abenteuer in sechs Jahrzehnten

Buchanfang:
WIEDER EINMAL:
KURS AUF DAS KAP DER GUTEN HOFFNUNG
Eine linde Frühlingsnacht hatte sich auf Hamburg herniedergesenkt, als wir die Freunde verabschiedeten, die uns das Geleit auf die „Nigeria“ gegeben hatten. Nici, meine Nichte Helga von der Osten, geb. Schomburgk, die mich auf meiner zehnten Afrikareise begleiten sollte, und ich lehnten am Geländer des Oberdecks, dann und wann das Winken erwidernd, das uns vom Lande her zum Abschied zuteil wurde.
„So schön es ist, auszureisen, so schwer ist es, Abschied zu nehmen“, sagte Nici.
Ich war in Gedanken fast sechs Jahrzehnte zurückgewandert, eben die Spanne Leben, die in Tun und Trachten meinem Afrika gegolten hatte, und sah mich als siebzehnjährigen Gigerl, in meinen schönsten Anzug gekleidet, sehr selbstbewußt und doch sehr kleinmütig geworden, an irgendeinem anderen Kai hier in Hamburg die Planken eines alten Viertausendtonners betreten, der „Greeck“, die mich der Sehnsucht meines Lebens, Afrika, zuführen sollte. Meine Eltern hatten mich begleitet, durchaus nicht davon überzeugt, daß ich auf dem rechten Wege wäre, aber von der Entschiedenheit beeindruckt, mit der ich mich dagegen gewehrt hatte, die kaufmännische Lehre zu beenden, um später, wie so viele Schomburgks früherer Generationen, Offizier zu werden. Wie hatte ich gegen ein solches Ansinnen aufgetrumpft mit den Leistungen und dem Ruhm Sir Robert Schomburgks, des Entdeckers der Victoria regia, meines Großonkels, und mit den Erfolgen seiner Brüder Richard und Otto, die sich gleichfalls einen guten Namen in der Geschichte der Naturforschung erworben hatten.
Sehr glücklich war ich dennoch nicht an diesem 26. März 1898 gewesen, dem Tage, an dem sich erfüllte, was ich Jahre hindurch ersehnt und ertrotzt hatte. Dieser Tag meines Abschieds aus der Heimat war der Geburtstag meiner Mutter.
Sie war blasser und blasser geworden, als die Schiffsglocke ertönt war; mein Vater hatte sie mit sanfter Gewalt vom Schiff führen müssen. Ich hatte mich nicht vom Deck gerührt, als der Dampfer bei Fluteinbruch den Hafen verließ. Die Lichter am Elbestrand waren langsam vorübergezogen, das Heimweh hatte mich angesprungen und für Stunden die Sehnsucht nach dem Abenteuer überwunden, der zu folgen ich seit Jahren entschlossen war. Mein umschleierter Blick hatte im Dunkel Bergedorf umfaßt, wo irgendwo das von meinem Vater, einem Architekten, gebaute und von uns bewohnte Haus lag, und Fontenay, unser Stammhaus an der Alster, gesucht.
„Du hast recht“, antwortete ich meiner Nichte. „Abschiednehmen ist schwer. Beklemmender noch als der von lieben Menschen ist der Abschied vom Ziel. Auch das gibt es. Ich habe diesen Abschied erlitten, als die Kräne einen meiner Expeditionswagen nach dem anderen vom afrikanischen Boden aufhoben, um sie auf den Planken der ‚Usukuma’ niederzusetzen.“
Du denkst an den letzten Tag deiner letzten Expedition, als du im Januar 1932 in Lobito in Portugiesisch-Westafrika meintest, du würdest Afrika nicht wiedersehen?"
„Solch einen Tag vergißt man nicht, wenn man die Fünfzig, wie ich damals, überschritten hat. Die ‚Usukuma’ löste sich langsam vom Kai. Franz Grobler, der Bure, der meinen unvergeßlichen Kameramann und Freund Paul Lieberenz, den Muscheldoktor Haas, den Ingenieur, den Karawanenmeister Heinrich Hemmerling, den Film- Assistenten Keim und mich begleitet hatte, stand unten am Land, neben ihm Fernando Guimares, der treue Helfer während der letzten Etappe, und die vier Zulu, die uns als Boys treu gedient hatten. Zurufe wurden gewechselt, Tücher flatterten in der Luft, als schon die Menschen, anscheinend kleiner geworden, im Sonnenlicht verschwanden. Ich hatte mich abgewandt und war in meine Kabine gegangen. Später dann, am Cap Verde, hatte ich die Küste noch einmal gegrüßt. Schweigend, dankbar und wehmütig zugleich hatte ich Abschied von Afrika, vom Pulsschlag der Wildnis, von meinen Freunden im Busch genommen, immer wieder fragend: Würde es ein Abschied für immer sein?"
„Um so schöner die Gewißheit, daß du in wenigen Wochen Afrika wiedersehen wirst, Onkel Hans“, meinte Nici, mich aus den Erinnerungen in die Gegenwart, in die kommenden Wochen und Monate zurückrufend.
Sie wußte, daß es nicht leicht geworden war, meine Absicht zu verwirklichen. Zwar hatte ich von meiner Filmreise 1931/32 so wirksame Aufnahmen aus den Tierreservaten mitgebracht, daß mein Film „Das letzte Paradies“ zu einem schönen Erfolg geworden war. Aber nach der Machtübernahme Adolf Hitlers war meine Vortragstätigkeit wesentlich beschränkt, meine Bücher waren verboten, beschlagnahmt und verbrannt worden. Krieg und Zusammenbruch hatten auch mich an den Rand des Ruins gebracht. Aller Mittel entblößt, hatte ich 1945 wieder begonnen, Vorträge zu halten, zunächst in beiden Teilen Deutschlands, dann in der Schweiz, in Dänemark. Ein ganzes Jahrzehnt hatte ich gebraucht, um die materiellen Voraussetzungen für eine neuerliche Reise zu schaffen.
Nun war es soweit.
Eine laue Brise brachte Meeresluft und Meeresgerüche stromaufwärts. Tief und dankbar sog ich sie ein. Hafenschiffe pfiffen einander Signale zu. Vom Vorderdeck tönten derbe Stimmen, das Karren und Rollen schwerer Lasten wurde hastiger.
Die „Nigeria“, mit der wir vier Afrikareisenden, außer meiner Nichte und mir der Kameramann Klaus Philipp und der Techniker Peter Rau, nach Kapstadt übersetzen wollten, war kein Passagierdampfer, sondern ein motorbetriebenes Handelsschiff; es hätte die Bezeichnung Punda ebenso verdient wie unser Leichtkraftwagen, den wir auf diesen Kisuaheli-Namen des Esels getauft hatten, weil er wie das brave Grautier weithin in Afrika dazu bestimmt war, unsere Lasten: durch Busch und Steppe zu tragen. .......

SCHOMBURGK EXPEDITION 1956
Ausgangspunkt:           Kapstadt
Endpunkt:                     Mombasa
zurückgelegte km:        19000
Expeditionsteilnehmer: Hans Schomburgk
                                     Helga von der Osten geb. Schomburgk
                                     Klaus Philipp (Kameramann)
                                     Peter Rau (Techniker)

Schutzumschlag und Einband: Heinz Handschick

Verlag der Nation, Berlin
1. Auflage 1957
2. Auflage 1958
3. Auflage 1959
4. Auflage 1960
5. Auflage 1960

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.