Verlagstext:
»... doch soll nicht von mir die Rede sein, sondern von Mahlke oder von Mahlke und mir, aber immer im Hinblick auf Mahlke, denn er hatte den Mittelscheitel, er trug hohe Schuhe, er hatte mal dieses mal jenes am Hals hängen, um die ewige Katze von der ewigen Maus abzulenken, er kniete vor dem Marienaltar, war der Taucher mit dem frischen Sonnenbrand, war uns immer, wenn auch häßlich verkrampft, ein Stückchen voraus und wollte, kaum hatte er das Schwimmen gelernt, später einmal, nach der Schule und so weiter, Clown in einem Zirkus werden und die Leute zum Lachen bringen.« Mit sarkastischer Ironie erinnert sich der Ich-Erzähler in dieser Novelle, die der Westberliner Schriftsteller Günter Grass, geboren 1927, im Jahre 1961 schrieb, an den einst bewunderten Gymnasiasten Mahlke und seine Geschichte. Die »ewige Maus« – das war dessen herausfordernd großer Adamsapfel, Symbol frühreifer Männlichkeit. Mahlke suchte nach Möglichkeiten, diese »Maus« tanzen zu lassen, ohne die »ewige Katze« herauszufordern. Im faschistischen Danzig während der Zeit des Krieges bietet sich ihm schließlich das Ritterkreuz als angemessene Deckung. Daß Mahlke sich damit etwas an den Hals geholt hat, was ihn doch noch, wenn auch gegen seinen Willen und auf mörderische Weise, zum Clown werden läßt, erscheint als tragischer Bodensatz der Novelle, die dank der hohen Erzählkunst von Günter Grass auch heute noch als gültige künstlerische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kleinbürgertum in seiner Anfälligkeit für den Faschismus zu lesen ist.
Buchanfang:
... und einmal, als Mahlke schon schwimmen konnte, lagen wir neben dem Schlagballfeld im Gras. Ich hätte zum Zahnarzt gehen sollen, aber sie ließen. mich nicht, weil ich als Tickspieler schwer zu ersetzen war. Mein Zahn lärmte. Eine Katze strich diagonal durch die Wiese und wurde nicht beworfen. Einige kauten oder zupften Halme. Die Katze gehörte dem Platzverwalter und war schwarz. Hotten Sonntag rieb sein Schlagholz mit einem Wollstrumpf. Mein Zahn trat auf der Stelle. Das Turnier dauerte schon zwei Stunden. Wir hatten hoch verloren und warteten nun auf das Gegenspiel. Jung war die Katze, aber kein Kätzchen. Im Stadion wurden oft und wechselseitig Handballtore geworfen. Mein Zahn wiederholte ein einziges Wort. Auf der Aschenbahn übten Hundertmeterläufer das Starten oder waren nervös. Die Katze machte Umwege. Über den Himmel kroch langsam und laut ein dreimotoriges Flugzeug, konnte aber meinen Zahn nicht übertönen. Die schwarze Katze des Platzverwalters zeigte hinter Grashalmen ein weißes Lätzchen. Mahlke schlief. Das Krematorium zwischen den Vereinigten Friedhöfen und der Technischen Hochschule arbeitete bei Ostwind. Studienrat Mallenbrandt pfiff: Wechsel Fangball übergetreten. Die Katze übte. Mahlke schlief oder sah so aus. Neben ihm hatte ich Zahnschmerzen. Die Katze kam übend näher. Mahlkes Adamsapfel fiel auf, weil er groß war, immer in Bewegung und einen Schatten warf. Des Platzverwalters schwarze Katze spannte sich zwischen mir und Mahlke zum Sprung. Wir bildeten ein Dreieck. ........
Einbandentwurf: Lothar Reher
Verlag Volk und Welt, Berlin
Reihe: ›Volk und Welt Spektrum‹ 192
1. Auflage 1984
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