Klappentext:
Don Cristóbal Colón wähnte, den Rand des Paradieses erreicht zu haben, als er während seiner dritten. Reise 1498 die Insel Trinidad gefunden hatte und eine im Golf von Paria auf Erkundung ausgesandte Karavelle ihm die Nachricht brachte, daß ein gewaltiger Fluß (der Orinoco) mit vier Mündungen sich in den Golf ergieße. Hieß es nicht im 1. Buch Mose: »Und es ging aus von Eden ein Strom, zu wässern den Garten, und teilte sich von da in vier Hauptwasser. Das erste heißt Pison, das fließt um das ganze Land Hevila; und daselbst findet man Gold. Und das Gold des Landes ist köstlich...«? Kolumbus, von seinem Sendungsglauben erfüllt, davon überzeugt, die göttliche Vorsehung habe ihn auserwählt, Gold und Silber von fernen Inseln herbeizuschaffen, das irdische Paradies zu finden, hielt dies auch für die Bestätigung seiner These, im äußersten Osten angekommen zu sein. Hatten doch die Kirchenväter gerade dort das Paradies angenommen. Kolumbus ahnte nicht, daß an Backbord die Küste des südamerikanischen Kontinents lag, als seine Karavellen den Südosten Trinidads umrundeten.
P. Werner Lange bezieht in seine Darstellung des Lebens Kolumbus' auch ein allgemein-historisches Bild des Entdeckungszeitalters mit ein. Es ist dies die Zeit der »Katholischen Majestäten« Ferdinand und Isabella, Kaiser Friedrich III. und seines Sohnes Maximilian I., die Zeit der Inquisition und der Judenverfolgung. Die »Neue Welt« wird entdeckt, der Seeweg nach Indien gefunden. Es ist die Zeit Kolumbus', des Entdeckers schlechthin, dessen Name sprichwörtlich geworden ist. Seine Unternehmungen gehören zu den wichtigsten und folgenreichsten Taten der menschlichen Geschichte, wenn auch der »Großadmiral des Weltmeeres« nicht erkannte – oder nicht erkennen wollte –, daß er nicht den West weg nach Indien, nach Ostasien, sondern einen neuen Erdteil gefunden hatte. (In der Bezeichnung Westindische Inseln für die Inselwelt im amerikanischen Mittelmeer und Indios (Indianer) für deren Bewohner ist der historische Irrtum des Entdeckers heute noch lebendig.) Seine seemännischen Fähigkeiten indessen werden heute nicht mehr bestritten.
Kolumbus' Auftraggebern war vor allem um den Zugang zu neuen Reichtümern und um die Ausbreitung des Christentums zu tun. Der Autor gibt eine realistische Einschätzung vom Vorgehen der Spanier gegen die Bewohner der entdeckten Inseln und versucht auch, die Haltung des Kolumbus bei diesen Vorgängen zu werten, die rigorose Ausbeutung, schließlich grausame Verfolgung und Vernichtung zeitigten.
Buchanfang:
Vorwort
Es wird die Rede sein vom Leben eines Mannes, dessen Fähigkeiten, Handlungen und Charakter schon häufig und in sehr kontrastreicher Weise beschrieben wurden. Von seinen Biographen entworfene Persönlichkeitsbilder zeigten ihn einmal als genialen, strahlenden Renaissancehelden, einmal als gemütskranken Dilettanten, der 1492 nicht in Amerika, sondern auf den Kanarischen Inseln landete und diese für Indien hielt, oder gar als mittels Diebstahl oder Mord in den Besitz geheimer Vorkenntnis vom westwärtigen Kontinent gelangten Finsterling. Acht Nationen stritten um die Ehre, Kolumbus habe die ersten Schritte auf ihrem Boden getan; noch heute vermeinen die einen, er sei sephardischer Jude gewesen, andere wollen sichere Kunde besitzen, daß seine Wiege im festländischen Refugium französischer Seeräuber stand. Indes: Das vorgebliche Dunkel um Cristóbal Colóns Lebensweg ist eine vom zweifelhaften Originalitätsstreben mancher Biographen genährte Mär.
Die folgende knappe Schilderung bleibt beschränkt auf nachweisbare Fakten. Sofern Zitate verwendet werden – der Autor fühlte sich nicht berechtigt, diese oftmals bewegenden und nahezu poetischen Zeitdokumente dem Bemühen um geschlossene Darstellung zu opfern – geschieht es mit dem Hinweis auf ihren Urheber; Zitate ohne Namensnennung stammen von Colón. Benutzte Literatur wird in der Bibliographie aufgeführt, doch wäre es unredlich, wenn hier nicht auf den bestimmenden und hilfreichen Einfluß hingewiesen würde, den die Werke hervorragender Gelehrter wie Henri Harisse, Richard Hennig, Samuel Eliot Morison und Oscar Peschel auf alle um Wahrhaftigkeit bemühte Kolumbusliteratur ausüben.
Zur Handlung: Cristóbal Colón war nicht der erste Entdecker Amerikas. Außer den im späten 10. und frühen 11. Jahrhundert manchen Teil der amerikanischen Küste kurzzeitig betretenden und besiedelnden Seeleuten aus Nordeuropa mögen andere ihm zuvorgekommen sein – für Colóns Fahrten blieb das belanglos. Sein Verdienst besteht nicht nur in der kühnen Durchquerung unerschlossener Breitenbereiche, vielmehr in der historischen Konsequenz seiner Unternehmungen. Wir lernen ihn kennen als beharrlichen Autodidakten, entschlossenen Entdecker und genialen Navigator, der den amerikanischen Ureinwohnern menschlich zu begegnen sucht und die privaten Bereicherungsabsichten seiner Gefährten gesellschaftlich bedeutsamen Prozessen unterordnen möchte, als hervorragenden Vertreter einer großartigen Epoche, die treffend als eine Zeit charakterisiert wurde, in der man vermeinte, der Geschwänzte gehe hökernd um und biete für eine Seele das irdische Himmelreich.
Doch offenbart er zudem zwiespältige Züge: wie alle von ihrer Mission Überzeugten ist er ungerecht gegen Andersdenkende, vermag er vorgefaßte Meinungen nicht aufzugeben, seine Überredungskunst ist das Produkt von Selbsttäuschungen. Religiosität und Sendungsbewußtsein hindern ihn häufig an der richtigen Deutung geographischer Realitäten, seine Frömmigkeit ist nicht frei von Spekulativem, Krankheit und Enttäuschung bewegen ihn schließlich sogar zur geistigen Flucht in den Bereich des Mystischen. Bedingungsloser Glaube an kirchliche und weltliche Autoritäten überschattet nicht selten die während der ersten Entdeckerjahre offenbarten Fähigkeiten wissenschaftlicher Gründlichkeit und empirischer Beobachtungsgabe.
Kein sinnenfroher, strahlender Renaissanceheroe – doch was für ein Gigant an Wagemut und Energie! Er beeinflußt vieles: die Fahrten da Gamas und Magalhães', die Ideen Mores, die Geschicke ganzer Kontinente. Dem ungestümen Drängen des anbrechenden Zeitalters erschließt er eine ganze Welt, verfolgt die von der Geschichte vorgezeichnete Aufgabe bis zum – nicht nur für ihn – bitteren Ende. Die Bedeutung seines Handelns kann gar nicht überschätzt werden, schon deshalb, weil, wie Oscar Peschel es einmal nannte, »Tat an Tat sich entzündet«.
Im Verlauf der Schilderung werden Wertungen wie »Goldgier« und »Grausamkeit« sich dem Leser aufdrängen sie wurzeln in heutigen sittlichen Normen, die dem Menschen nicht von vornherein angeboren sind. Es wird hier deshalb der Versuch unternommen, ein in der Literatur häufiger anzutreffendes verzerrtes Colónbild von solchen Klischees zu befreien und auf den jene Motivationen antreibenden Mechanismus hinzudeuten, denn was damals aus dem Schoß der Zeit kroch, ist noch immer Bestandteil der Gegenwart.
Darüber hinaus bleibt nicht mehr zu sagen, als es Alexander von Humboldt vor nunmehr anderthalb Jahrhunderten tat: »Der Ruhm des Columbus beruht gleich dem sämtlicher außerordentlichen Männer, welche durch Schriften oder Handlungen den Kreis des Wissens erweitert haben, eben so sehr auf den Fähigkeiten des Geistes und der Stärke des Charakters, deren Antrieb den Erfolg ins Werk stellt, als auf dem mächtigen Einfluß, welchen sie, fast immer ohne es zu wollen, auf die Bestimmungen des Menschengeschlechtes ausgeübt haben ... Der Erfolg, welchen er erlangte, war eine Eroberung durch Nachdenken. Schon aus diesem einzigen Gesichtspunkt betrachtet erhebt sich Columbus bei weitem über die Seefahrer, welche es unternommen hatten, die Südspitze von Afrika zu umschiffen...«
Dieses Buch möchte derlei Erkenntnis fördern. Ich widme es dem Andenken meines Vaters.
P. Werner Lange
Inhalt:
Vorwort .. .. .. 7
Genova la Superba .. .. .. 10
Portugal .. .. .. 16
Westwärts nach Osten? .. .. .. 29
Spanien .. .. .. 37
Der Fall Granadas .. .. .. 52
Am Kai zur Neuen Welt .. .. .. 57
Morgendämmerung: Europa 1492 .. .. .. 74
Palos, 3. August .. .. .. 77
Oeste, oeste! .. .. .. 82
San Salvador, Fernandina, Juana .. .. .. 91
La Isla Española .. .. .. 105
Schrecken der Rückkehr .. .. .. 116
Triumph .. .. .. 125
Alexander teilt die Welt .. .. .. 133
Exodus .. .. .. 137
Auf der Suche nach Indien .. .. .. 158
Inferno .. .. .. 167
»Nur Widerstand und Klage...« .. .. .. 173
Zum Rande des Paradieses .. .. .. 178
Erniedrigung .. .. .. 187
Neue Hoffnung, neue Pläne .. .. .. 201
El alto viaje .. .. .. 218
Veragua .. .. .. 221
Die »Hölle von Jamaika« .. .. .. 228
Konquista .. .. .. 236
Agonie .. .. .. 244
Epilog .. .. .. 250
Zeittafel .. .. .. 257
Bibliographie .. .. .. 261
Bildquellen .. .. .. 264
Register .. .. .. 264
Auf der Innenseite des Schutzumschlags eine Übersichtskarte von Kolumbus' erster Reise
Pioniere der Menschheit.
Hervorragende Forscher und Entdecker
Herausgegeben von Dr. Wolfgang Genschorek (Leipzig) und Doz. Dr. habil. Max Linke (Weißenfels)
Kartenzeichnung: Helga Paditz
VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig
Reihe: Pioniere der Menschheit; Brockhaus-Biographien
1. Auflage 1980
2. Auflage 1982
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