Einbandtext:
Das Leichte, das Graziöse, das Scharmante, es ist erreicht. Aber nur ganz wenige erkennen, daß diese frivolen, verwegen deutlichen Verse aus einem Kopf und aus einem Herzen aufgestiegen sind, die Sturm laufen wollten gegen das starre, dumpfe, spießbürgerliche Denken der Zeit.
Klappentext:
Wer zur Zeit Goethes und Schillers nach Weimar kam, pflegte meist auch den geistvollen, lebhaften, liebenswürdigen Dichter Wieland aufzusuchen. Mit dem Roman «Agathon» war er zur europäischen Berühmtheit geworden, «Oberon» und andere Werke von ihm entzückten die Leser vollends; Witz und Anmut zeichnete sie alle aus. Jutta Hecker gestaltet Leben und Entwicklung dieses Dichters, der auch als Übersetzer vor allem Shakespeares Hervorragendes geleistet hat. Sie erzählt von seiner Kindheit im Biberacher Pfarrhaus, von seiner ersten, lebenslangen Liebe zu der späteren Schriftstellerin Sophie von La Roche, von einem zweiten, ebenfalls in die Brüche gegangenen Verlöbnis, von seinem Aufenthalt bei Bodmer in Zürich, wo er emphatisch für Tugend und Askese schwärmte, von seiner abrupten Hinwendung zum heiteren Sinnengenuß und vor allem von seinem Leben und Schaffen in Weimar. Rührend und liebenswert erscheint uns der Dichter in all seinen Äußerungen, vor allem in der Art, wie er hinter den beiden Größeren, hinter Goethe und Schiller, zurücktritt.
Buchanfang:
Seit Tagen weht ununterbrochen ein föhniger Westwind. Auch an diesem Donnerstag, dem 18. Februar 1813. Der Himmel ist bedeckt; graue leichte Gespinste treiben, vom Sturme zerfetzt, vor schweren dunklen Wolkenballen im Winde dahin. Ab und zu regnet es. Auf dem Erdboden hält sich hie und da noch verharschter Schnee. Die Ilm führt Hochwasser. Sie rauscht mächtig im Anprall einer plötzlichen Biegung nach Süden an der Steinmauer des Gutes Oßmannstedt vorbei. Ihr lehmig-gelbes Wasser nagt an den Steilufern und unterspült die mächtigen Wurzeln der Bäume, die weit in ihr Bett hineinragen. Am Ende der Gutsmauer öffnet sich eine kleine Lichtung mitten in einem Waldstück: Ein Denkmal erhebt sich dort, eine obeliskenhaft schmale, dreiseitige Pyramide in grauem Sandstein. Jede Seite trägt eine Inschrift, davor wölbt sich ein Erdhügel. Schon ein wenig verwittert sind die eingegrabenen Worte, schon ein wenig verblaßt das Blau und Rot und Gold der Bilder darüber. Nur auf der einen Seite, unter der auf Fittichen schwebenden Lyra, ist die zweite Zeile deutlich vor kurzem erst eingemeißelt. Unter dem Namen Christoph Martin Wieland steht außer dem Geburtsdatum nun noch: «gestorben den 20. Januar 1813». Der Hügel davor zeigt braune, frisch aufgeworfene Erde, während die beiden anderen unter einer Decke von grobkörnigem getautem und oftmals wieder gefrorenem Schnee ruhen. Ringsum bis weit in das Waldstück hinein ist der Platz von vielen Tritten zerstampft. Das Dunkel der Nacht lagert über dem abseitigen Ort, die Ilm rauscht laut, .......
Schutzumschlag, Einband: Ernst Lewinger
Verlag der Nation, Berlin
1. Auflage 1975
2. Auflage 1980
3. veränd. Auflage 1984
4. Auflage 1990
weitere Ausgaben
Jutta Hecker
Wieland – Die Geschichte eines Menschen in der Zeit
Hinter dem mächtigen Dioskurenpaar Goethe und Schiller ist die liebenswürdige Gestalt Christoph Martin Wielands besonders im Gedenken der Nachwelt immer mehr zurückgetreten. Auch er stand und steht gewissermaßen im Schatten der Titanen, und doch war der Pfarrerssohn aus Biberach in Württemberg weit mehr als nur der ehedem gefeierte Autor leicht tändelnder Rokokoromane, sinnenfroher Versepen und moralisierender Bildungsbriefe. Dank seiner Kunst gewann die deutsche Sprache erst Leichtigkeit und Eleganz. Sein immer reger, weltoffener Geist vermittelte kulturelle Schätze aus allen Zeiten und Nationen; sein ständig junges Herz blieb bis ins Alter aufgeschlossen für jede neue Geistesströmung, für jedes junge Genie, und nur wenig Bedeutendes im ausgehenden achtzehnten und beginnenden neunzehnten Jh gibt es, dem nicht seine Zeitschrift „Der deutsche Merkur“ Schrittmacherdienste geleistet hätte.
Jutta Hecker ist dem langen Leben ihres Helden in allen Stationen nachgegangen, von der Knabenzeit im schwäbischen Elternhaus, dem für seine Entwicklung so bedeutsamen Schweizer Intermezzo bei Bodmer in Zürich, der Stadtschreiberzeit in Biberach mit der ersten großen, bitter-schmerzlich endenden Liebe, dem kurzen Zwischenspiel als Professor in Erfurt bis hin zu der längsten und erfolgreichsten Lebensepoche, seinem Leben und Wirken in Weimar und Oßmannstedt. Dabei wird nicht die geheime Tragik verschwiegen, die gerade die Weimarer Jahre Wielands durchzieht, dieses immer wieder Verzichten-, immer wieder Zurücktreten-Müssen hinter den großen Gestirnen Goethes, Schillers und Herders. Aber nicht minder wird auch das viele Schöne gezeigt, mit dem die Musen ihren Liebling immer wieder bedachten.
Den festlichen Ausklang dieses Buches, das nicht nur ein höchst lebendiges Porträt einer bedeutenden Persönlichkeit, sondern zugleich auch ein überaus farbiges Gemälde einer der wesentlichsten Epochen der deutschen Kulturgeschichte ist, bildet die Totenfeier für Wieland mit dem so ergreifenden Nekrolog, den Goethe seinem langjährigen Freunde widmete.
Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar
1. Auflage 1958 [1. - 10. Tsd.]
2. Auflage 1959 [11. - 20. Tsd.]
3. Auflage 1960 [21. - 30. Tsd.]
4. Auflage 1963 [31. - 40. Tsd.]
5. Auflage 1966 [41. - 50. Tsd.]
6. Auflage 1971 [51. - 57. Tsd.]
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