Wer träumt nicht davon, einmal im Leben Großes, Eigenes zu vollbringen, um mit Goethe sagen zu können: „Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn.“
Doch reicht die Kraft? Reicht das Können, reichen die Fähigkeiten? Wird man als Genie geboren? Sind gute Einfälle, Ideen vom Zufall abhängig? Ist Begabung erlernbar?
Auf all diese Fragen geben Gerlinde und Hans-Georg Mehlhorn Antwort und beschreiben auf anschauliche Weise Methoden des Erfindens und Entdeckens.
Buchanfang:Bei einem Erfolg ist manchmal das Glück im Spiel, aber immer im Spiel sind Zähigkeit und Ausdauer.
Manfred von ArdenneVom Sinn dieses Buches„Heureka, heureka, heureka“ mit diesem Freudenschrei soll Archimedes (geb. um 287 v. u. Z., gest. 212 v. u.Z.) aus der Badewanne gesprungen und nackt durch die Straßen seiner Stadt gerannt sein. Endlich, endlich hatte er die Lösung gefunden.
Hieron, der Tyrann von Syrakus, hatte ihn beauftragt, eine Krone, die angeblich aus reinem Gold sein sollte, genau nachzuprüfen. Hieron schöpfte den Verdacht, daß dem Golde Silber beigemischt worden war. Archimedes kannte zwar das spezifische Gewicht des Goldes, doch um die gestellte Aufgabe zu lösen, brauchte er außerdem das Volumen des reichverzierten Schmuckstückes. Ja, wenn er sie einschmelzen oder zu einem Würfel hätte hämmern können, dann wäre die Aufgabe leicht. Aber so fand er keine Antwort. Er grübelte und grübelte. Nichts! Als er eines Tages in den Waschzuber stieg, um sich zu baden, kam ihm plötzlich die Idee. Er beobachtete, wie sich der Wasserspiegel hob. Das mußte die Lösung sein: So viel, wie er von seinem Körper hineintauchte, so viel Wasser wurde verdrängt, und verdrängtes Wasser kann abgemessen werden. Ebenso ließ sich das Volumen der Krone berechnen.
Glücklich sprang er aus der Wanne. Archimedes kam der Zufall zu Hilfe.
Welcher junge Mensch träumt nicht davon, einmal in seinem Leben eine Idee hervorzubringen, die bisher noch niemand gehabt hat? Wohl jeder möchte in seinem Leben einmal etwas Einmaliges schaffen, um wie Goethe sagen zu können: „Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn.“ Denn der tiefste Sinn des menschlichen Lebens liegt im schöpferischen Handeln für die Mitwelt und die Nachwelt. Wer dem Fortschritt der Menschheit dienen möchte, muß mithelfen, die Aufgaben und Probleme seiner Zeit mit Hingabe, Leidenschaft und Verstand zu lösen.
Denn den Kommunismus zu erreichen ist eine der größten und begeisterndsten Aufgaben des Menschen. Daran mitzuwirken verlangt aber, nach Selbstverwirklichung und Vervollkommnung zu streben, Mühen nicht zu scheuen, nicht über den Alltag von heute das Morgen zu vergessen, nicht irgendwann genügsam zu werden, sich mit Bisherigem zu bescheiden, mit erst Halbem, schon Erreichtem. Daran mitzuwirken heißt aber auch: nicht austauschbar werden, sondern immer nach dem Höchsten streben, das Zukunftsbild durch eigene Taten mitprägen. Schweißer werden, aber ein guter, Maurer werden, aber der beste, Wissenschaftler, aber mit vollem Einsatz – eben das Beste aus den Jahren des eigenen Lebens machen.
Doch das Vertrauen in die eigene Kraft ist nicht ungetrübt. Der Wille ist da, aber genügen die Fähigkeiten? Wissen kann erworben werden, aber wie ist das mit den eigenen Ideen, den ganz neuen Lösungsvorschlägen für die Gestaltung unseres Lebens und für die Beseitigung aller Hemmnisse, die es noch einengen? Wird das mir gelingen, gerade mir?
Fragen über Fragen! Das Wissen um die Einmaligkeit der eigenen Persönlichkeit ist gepaart mit dem Zweifel – wenn auch nur selten –, ob das eigene Leben Grenzen setzen wird. Und liegen diese Grenzen gerade dort, wo das Schöpferische beginnt? Wird es gelingen, diese Grenzen der Erkenntnis hinauszuschieben?
Viele Jahrhunderte galten schöpferische Persönlichkeiten als Außenseiter oder als fast überirdische Wesen. Die Menschheitsentwicklung vollzog sich aus unserer Sicht im Schneckentempo. Noch vor 100 Jahren fuhren auf den Straßen keine Autos, keine Motorräder, brannte kein elektrisches Licht, gab es kein Telefon, kein Radio, keinen Fernseher, kein Tonbandgerät, keinen Plattenspieler, keine Schreibmaschine, kein Flugzeug, keine Mondraketen, keine Marssonden, keine Sputniks.
Sind nicht also die meisten Erfindungen bereits gemacht, die meisten Entdeckungen bereits vollzogen? Kann man überhaupt Planck und Einstein, Thomas Mann, Goethe, Brecht oder Picasso, Marx, Engels oder Lenin, Gorki und Majakowski nacheifern?
Ja, man kann! Denn es gibt eine entscheidende Parallele. So wie wir standen auch sie vor der Frage: Wo ist mein „Neuland“? Das Finden des „mir Gemäßen“ ist die erste schöpferische Leistung des einzelnen. Sie kann ihm zwar von niemandem abgenommen werden, doch für ihre Bewältigung erhält im Sozialismus jeder die Unterstützung der Gesellschaft. Denn unsere Gesellschaft will und kann es sich nicht leisten, auch nur ein Talent nicht zu entwickeln, ein Genie nicht zu fördern, eine Persönlichkeit verkümmern zu lassen. Und historisch wird die sozialistische Gesellschaft auch danach bewertet, was sie für die Persönlichkeitsentwicklung der in ihr lebenden Menschen getan hat.
Um zu höchsten Leistungen auf allen Gebieten zu gelangen, reichen die Bedingungen der Umwelt allein nicht aus. Dazu gehört auch der persönliche Einsatz des einzelnen, gehören Mut und Leidenschaft. Auch im Sozialismus kann die Wahrheit an bequemen Gewohnheiten rütteln, die für wahr angenommen werden, weil sie längere Zeit ungeprüft existiert haben und deswegen gut begründet und abgesichert zu sein scheinen. Ausdauer und Kraft werden dann oft notwendig sein, der schöpferisch entdeckten Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.
Und noch etwas möchten wir nicht vergessen: Schöpferisch tätig sein bereitet viel Spaß. Wir möchten niemanden um diesen Spaß betrügen. Natürlich kann man nicht den ganzen Tag nur schöpferisch tätig sein. Das kann nicht einmal ein Wissenschaftler. Selbst seine Tätigkeit, die doch hauptsächlich auf die schöpferische Erkenntnis von Neuem gerichtet ist, erfordert viele unschöpferische Arbeiten.
Wenn auch noch viele Bereiche des schöpferischen Denkens und Handelns der Menschen unerforscht sind, so gibt die Wissenschaft doch heute schon jedem Hinweise, wie er sein schöpferisches Denken weiter verbessern kann. Wir haben in diesem Buch viele Gedanken anderer zusammengetragen und haben auch unsere Ideen und Erfahrungen hinzugegeben, wie man lernen kann, schöpferisch zu denken und zu handeln. Nicht alle Ratschläge werden für alle gleichermaßen brauchbar sein. Aber das ist auch nicht so gedacht. Wir möchten durch diese Fülle von Anregungen dazu beitragen, daß der Leser selbständig zu einer Methode gelangt, die ihm hilft, besser als bisher sein Denken zu beherrschen und es zum Nutzen unserer Gesellschaft einzusetzen. Ob und wie der einzelne diese Anregung aufgreift, das hängt allerdings von ihm selbst ab.
Wir wünschen viel Spaß dabei!
Gerlinde und Hans-Georg MehlhornInhalt: 7 .. .. .. Vom Sinn dieses Buches
1 Schöpferisch denken – aber wie? 10 .. .. .. Schöpfertum - was ist das?
20 .. .. .. Der Sprung über den eigenen Schatten
25 .. .. .. Vom Anspruch an sich selbst
35 .. .. .. Der Denkprozeß unter der Lupe
2 Wege zur Beherrschung des Wie 45 .. .. .. Seit Jahrhunderten bewährt
49 .. .. .. Versuch-und-Irrtum-Methode
56 .. .. .. Die Chrie
60 .. .. .. Prinzip des Rückwärtsarbeitens
69 .. .. .. Methoden aus unserer Zeit
70 .. .. .. Das Produktive Prinzip
86 .. .. .. Algorithmus des Erfindens
97 .. .. .. Die Systematische Heuristik
105 .. .. .. Die Ideenkonferenz
113 .. .. .. Die Synektik
121 .. .. .. Die Delphi-Methode
126 .. .. .. Problemlösungsstrategien
3 Techniken des Suchens 146 .. .. .. Produktive Feldanalyse (PFA)
154 .. .. .. Die Eigenschafts-Veränderungs-Technik
157 .. .. .. Morphologische Technik
165 .. .. .. Aktivitätslisten-Verfahren
170 .. .. .. Das W-Fragen-Prinzip
171 .. .. .. Das BUWE
4 Immer auf Ideensuche 174 .. .. .. Immer auf Ideensuche
Über die Autoren:StationenDr. sc. paed. Gerlinde Mehlhorn (Jahrgang 1942) studierte nach dem Abitur an der Karl-Marx-Universität Leipzig Geschichte/Germanistik, belegte ein Zusatzstudium in Journalistik und war anschließend als Lehrerin tätig. 1966 kehrte sie an die Universität zurück. Seit 1979 ist sie Dozent für Hochschulpädagogik an der Sektion Pädagogik und beschäftigt sich hauptsächlich mit Hochschuldidaktik.
Dr. sc. paed. Hans-Georg Mehlhorn (Jahrgang 1940) nahm nach dem Abitur ebenfalls ein Studium im Fach Geschichte/Germanistik an der Karl-Marx-Universität Leipzig auf (Zusatzstudium Journalistik) und blieb als wissenschaftlicher Assistent an der Universität. 1970 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig; seit 1977 ist er Leiter der Abteilung Jugend und Bildung dieses Instituts.
GemeinsamkeitenBeide entdeckten sich bereits an der Oberschule; während des Studiums begannen sie, sich mit der Entwicklung geistiger Fähigkeiten zu beschäftigen. Der „äußere Zwang“ ihrer Arbeit und persönliche Interessen fielen glücklich zusammen.
VeröffentlichtesBeide schrieben zahlreiche Artikel, Beiträge und Serien für Zeitungen und Zeitschriften, sind Mitautoren verschiedener Publikationen und Bücher. Gemeinsam schrieben sie u. a. die Bücher „Ideenschule“, „Zur Kritik der bürgerlichen Kreativitätsforschung“, „Zur Untersuchung des schöpferischen Denkens bei Schülern, Lehrlingen und Studenten“.
Umschlag: Helmut Wengler
Karikaturen: Henry Büttner
Verlag Neues Leben, Berlin
Reihe: nl-konkret Nr. 39
1. Auflage 1979
2. überarb. Auflage 1981