Leonid Weissberg: Das Geheimnis des Schiffsfriedhofes

Buchanfang:
Habt Ihr schon mal ein Geheimnis gehabt? Natürlich kein belangloses wie etwa einen günstigen Angelplatz. Nein, ein richtiges Geheimnis! So eins, um das Euch alle beneiden würden! Es ist eine tolle Sache, so ein Geheimnis zu besitzen. Du denkst daran, und um Dich herum hegt niemand den leisesten Verdacht. Dann ist es Dir, als ob Du der glücklichste Mensch auf der Welt wärest. Aber ein wirkliches Geheimnis ist wie ein Vöglein im Käfig. Wie lange es auch darin leben mag stets sehnt es sich wieder nach Freiheit. Und ist es erst ausgeflogen, hört es auf, ein Geheimnis zu sein.
Ein echtes Geheimnis bewahrte Romas Deilidonis schon ganze zwei Tage. Zu Hause, im Unterricht und auf der Straße mußte er daran denken, und er lächelte dabei geheimnisvoll. Zunächst war das sehr interessant, so, als unterhielte man sich mit einem unsichtbaren Menschen. Aber nun überlegte Romas, welchem seiner Freunde er das Geheimnis anvertrauen könnte. Man müßte so einen auswählen, der stumm wie ein Fisch sein konnte und eine Auffassungsgabe besaß wie Sherlock Holmes. Vor dessen Fähigkeiten hatte Romas große Achtung.
Aber sofort tat es ihm leid, daß jemand, selbst wenn es sein bester Freund war, das Geheimnis erfuhr. Noch einen Tag hielt es Romas aus, dann schwand seine Standhaftigkeit dahin. Das Geheimnis wollte mit aller Gewalt ins Freie. Es hatte Romas ganz erfüllt und fand keinen Platz mehr in ihm. ........

Originaltitel: Тайна корабельного кладбища
Aus dem Russischen übersetzt von Erwin Weiß
Illustrationen und Umschlagentwurf von Horst Hausotte
Für Leser von 10 Jahren an

Gebrüder Knabe Verlag, Weimar
Reihe: Knabes Jugendbücherei
1. Auflage 1974
2. Auflage 1979