18 September 2024

Krimi-Abenteuer-Phantastik [kap]


Krimi - Abenteuer - Phantastik | kap
war eine an Jugendliche gerichtete, populäre Heftreihe aus Erzählungen der Genres Krimi, Abenteuer und Phantastik aus der DDR. Es wurden Neuerscheinungen und Übersetzungen überwiegend von zeitgenössischen Autoren veröffentlicht, zum großen Teil aus der Sowjetunion oder anderen befreundeten osteuropäischen Staaten.


Der größte Teil der Hefte war illustriert, erschien als Nachfolger der Kleinen Jugendreihe von 1966 bis 1971 im Verlag Kultur & Fortschritt, Berlin (nach der Fusionierung im Verlag Volk und Welt), bis einschließlich 1969 halbmonatlich, ab 1970 nur noch etwa monatlich, jeweils im Format 15 × 11 cm ab Heft 73 dann im Format 16,5 × 11,5 cm. Das Einzelheft kostete konstant 35 Pfennig. Der Umschlag war mit einer farbigen Illustration versehen. Der Umfang des Heftes umfasste 64 Seiten.

Quelle: Wikipedia 

Im Zeitraum von 1966 bis 1971 erschienen 114 Hefte.

  
Beispiel der Einbandgestaltung


Detlef Niese: Thoms der Seemann

Einbandtext:
Vom Meer träumt Thoms, von Bezwingern des Pols und von harten Bewährungsproben. Zunächst aber hat er Mühe, seine Klasse, die in einem neuen Wohngebiet erst zusammenwachsen muß, für eine Fahrt zur Ostsee zu begeistern. Nicht um faul in der Sonne zu liegen, nein, unter Thoms' Kommando soll in der maikühlen See getaucht und nach einem Wrack gesucht werden. Selbst Jens, der sein Freund sein möchte, zaudert angesichts von Abhärtungsprogrammen und Tauchübungen. Und Markus? Von der Clique Wörmanns, der ihn so demütigt, will er sich endgültig befreien. Was könnte er mit einem Freund wie Thoms alles bewerkstelligen! Doch wird Markus nicht nur „Hilfsmatrose“ sein auf dem Schiff, das Kapitän Thoms führt? Bedeutet Freundschaft, daß nur einer das Sagen hat?

Buchanfang:
Es ist kurz vor sieben Uhr. Thoms wirft sich auf die andere Seite. Gleich wird die Tür aufgehen: Tomilein, aufstehn. Das muß Mutti langsam lassen, findet er, schließlich ist er dreizehn.
Über dem Bett der Kapitän und sein Dampfer. Das Poster stammt aus dem Schiffahrtsmuseum. Schiffe haben es Thoms angetan. Überhaupt das Meer. Das Meer, Eugen und das Wrack.
»Tomilein, aufstehen, es ist soweit. Die Milch ist angebrannt. Tschüß! Denk an die Kartoffeln. Wir kommen heute später.«
»Jaaa.« Thoms dehnt sich und sackt zusammen. Noch drei Minuten. Sorgen quälen ihn. Die Klassenfahrt – erst hatten alle die große Klappe und wollten mit. Und nun?
Drei Wochen war er im Sommer mit seinen Eltern bei Lina, der Oma aus dem Rügendorf. Morgens aufs Rad und den dünnen Feldweg hinunter zum Meer. Immer war es anders, das Meer. Aber hier, wenn er aus dem Fenster sieht: riesige Häuser und hundert stumme Fenster.
Er knipst das Radio an: Findigs. Unter dem Telefon klemmt ein Zettel von Mutti. In der Küche riecht es angebrannt. Thoms angelt aus dem Kühlschrank eine Tüte Milch. Die Küche von Oma Lina fällt ihm ein. Uralt alles. Im weißen Schrank hängt ein Leinenläufer: »Ernst im Sinnen – weiß das Linnen«; und draußen auf dem Hof gackern jetzt bestimmt die Hühner.
Nachrichten. Thoms schneidet die Schrippe auf und schmiert Honig drauf. – In El Salvador haben sie vier holländische Journalisten ermordet. – Die Wandzeitung! Er hat sie vergessen.
Frau Hahnfeld schreit unten. Sicher wieder der Junge. Er bekommt eine geheimnisvolle Medizin und wächst und wächst nicht. Jeden Morgen holt ihn ein Taxi.
Waschzeit. Er blickt in den Spiegel: Es geht, der Klassenclown Markus Ebert hingegen hat tausend Pickel im Gesicht, der Fridolin.
Aus dem Wohnzimmer dringt der Wetterbericht: acht Grad, Regen. Schöner Frühlingsanfang. Trotzdem will er sein Rad heute zum Mechaniker bringen.

Illustrationen von Dieter Müller
Für Leser von 12 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1986

17 September 2024

Jacek Joachim: Bridge

Heftanfang:
„Schon der fünfte Selbstmörder in diesem Monat“, stöhnte Grzywiński, als wir endlich im Wagen saßen. „Sind die Leute verrückt geworden? Was mag dem Kerl bloß in den Kopf gestiegen sein? Sich am eignen Gardinenhaken aufzuhängen!“
„Ich verstehe deinen Ärger“, sagte ich und öffnete gequält die Augen, „aber wenn du nicht ein bißchen origineller wirst, schlafe ich ein, bevor wir an Ort und Stelle sind. Ich darf überhaupt nicht daran denken, daß ich gestern noch den Kasprowy Wierch runtergerauscht bin. Und jetzt dieses Sauwetter: dicker Nebel, Plusgrade und dazu deine Geistesblitze. Zum Auswachsen!“
„Du bist ja selber schuld“, knurrte Grzywiński. „Du hättest den einen Tag opfern, schon gestern fahren und dich ordentlich ausschlafen sollen. Aber nicht bei diesem Wetter die ganze Nacht auf der spiegelblanken Chaussee liegen!"
„Hast ja recht“, sagte ich und schloß die Augen. „Es klingt jedenfalls sehr vernünftig.“
Ich mußte für einen Moment eingenickt sein. Grzywińskis Stimme weckte mich wieder.
„Da sieh mal, ‚Elpa'. An dieser Leuchtreklame bin ich bestimmt hundertmal vorbeigefahren, ohne mir was dabei zu denken. Entschuldige, daß ich dich störe, aber wir sind so gut wie da.“
Wir hielten vor einem schmalen, modernen Gebäude zwischen alten Mietshäusern, einem hoch aufragenden Lückenbau. Das graue Licht des Märztages verlor sich in den riesigen Scheiben, die silberhelle Fassade war in matten Schimmer getaucht.
„Sag doch selbst, so ein Haus, an so einem Punkt!“ Grzywiński schüttelte den Kopf, während wir im Fahrstuhl standen. „Eine gute Stellung, Titel. Anstatt der Dusche hat er vermutlich ein Füllhorn im Bad. Worin besteht denn sonst – na, gar nicht einmal Glück, lach nicht!, aber wenigstens Zufriedenheit im Leben? Worin, frag' ich dich?“
„Wenn du diesen konkreten Fall meinst“, murmelte ich, „dann werden wir auf eine derartige Frage wahrhaftig zu antworten haben.“
Das Folgende war Routine. Der Einsatztrupp kam kurz nach uns, Fotoapparate klickten, Spuren wurden gesichert, alle Winkel der Wohnung durchsucht. Schließlich brachte man die Leiche hinaus, worauf ich außer Grzywiński und einem Ermittler, der es sich im Vorzimmer bequem machte, alle fortschickte. Jetzt erst war es möglich, sich in der Wohnung umzusehen und über den Mann nachzusinnen, der darin gelebt hatte.
Grzywińskis voreilige Fragen schienen nicht unbegründet. Dozent Doktor Jabczyński, Direktor des Versuchsbetriebs ‚Elpa’, hatte zurückgezogen gelebt, die Einrichtung seiner Wohnung deutete darauf hin, daß er ebenso wohlhabend wie wählerisch gewesen war. Darum hatte er auch nicht in einem Appartement gehaust. Es handelte sich vielmehr um eine normale Zweizimmerwohnung, die mit Druckerzeugnissen, alten Möbeln und Bildern angefüllt war, wobei eine leichte Unordnung herrschte: auf allen verfügbaren Tischen, auf einem Hocker, der jetzt umgestürzt lag, und auf dem Hängeboden im Vorraum waren Bücher und ganze Stöße von meist ausländischen Fachzeitschriften aufgehäuft. Diese Unordnung indes schien nichts anderes anzuzeigen, als daß der Hausherr viel und zu jeder Tageszeit gearbeitet, im übrigen aber seine Wohnung gepflegt und offenkundig sehr gemocht hatte. Inzwischen wurde die Harmonie im Wohnzimmer freilich beeinträchtigt durch eine herabgerissene Gardine und zu Boden gefallene Zeitschriften, doch schon im Arbeitszimmer war man kaum imstande, sich vorzustellen, daß der rechtmäßige Besitzer nicht jeden Augenblick hereinkommen und vor dem begonnenen Manuskript, an dem mächtigen Schreibtisch Platz nehmen würde. Und was für ein Schreibtisch! Er war gewiß gegen Ende des 19. Jahrhunderts für den Inhaber einer bedeutenden Firma gebaut worden; er wurde gekrönt von einer vornehmen filzgefütterten Schreibunterlage und einer schmucken marmornen Statue. Allein das Telefon war Produkt einer anderen, weniger ums Äußere bemühten Epoche.
„Die Haushälterin hat dir einen Kaffee gebrüht, und ich habe nicht widersprochen“, sagte Grzywiński. „Er wird dir guttun.“
„Danke. Wo ist denn die Haushälterin? Hatte sie die Miliz verständigt?“
„Ja. Sie sitzt in der Küche und flennt.“
„Hol sie her und klappre die Nachbarn ab. Wenn du jemanden antriffst, dann lade ihn höflich zu uns ein.“
Die Haushälterin war ungefähr sechzig, klein, rundlich, sie trug eine Brille. Sie trippelte durch das Wohnzimmer und schaute sich scheu nach dem Fenster um, an dem die Gardine fehlte. Ich saß an Jabczyńskis Schreibtisch, blätterte in Papieren und sah das Telefonverzeichnis durch.

Umschlagentwurf Barbara Müller
Übersetzt aus dem Polnischen von Felix Knirek

Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Reihe:
Blaulicht, Heft 211
1. Auflage 1981  

12 September 2024

Linda Teßmer: Das Alibi bin ich

Heftanfang:
„Brandstiftung?“ Peter Kürten starrt den Kriminalisten an, zu bestürzt, um weitere Worte zu finden. Seine Frau und der Sohn stehen dabei, ebenso betroffen und fassungslos.
„Eindeutig.“ Leutnant Koch nickt. „Beweis ist der Benzinkanister.“
„Aber wer?" Kürten kann sich nicht vorstellen, wer das getan haben könnte.
„Das Feuer muß in der Gaststube ausgebrochen sein. Gegen zweiundzwanzig Uhr.“ Koch wirft ihm einen teilnahmsvollen Blick zu. Der Gastwirt, sehr attraktiv mit lebhaften Augen und braunem Backenbart, besitzt eine große Ausstrahlung. Er sprüht vor Aktivität, geistig wie auch physisch. Er ist ein Mann, der sich durchsetzt.
Die Frau schüttelt ratlos den Kopf. Sie hat dunkle Schatten unter den Augen, Zeugen einer schlaflosen Nacht. „Ich begreife das alles nicht. Wer tut denn so was?“
Das fragt sich Koch auch. Es gibt einige Gründe dafür. Er erwägt einen davon. „Vielleicht ein Racheakt?“
Kürten zuckt die Achseln. „Jetzt, wo die Saison beginnt...“
Niedergeschlagen sucht er an der Hausbar Stärkung. Seine Hände flattern über Flaschen, bis er den Kognak findet.
Das großräumige Wohnzimmer macht einen imposanten Eindruck: Ledermöbel vor dem Kamin, wertvolles Prozellan darauf. Die Wirtschaft muß lukrativ gewesen sein, denkt Koch. „Das schöne Geschäft mit den Touristen vorbei.“ Auch Christian, der Sohn des Hauses, der in hautengen Jeans an der Tür lehnt, scheint nicht zu begreifen, daß das Gasthaus, das Lebenswerk seiner Eltern, nicht mehr existieren soll.
„Eine Vermutung, wer Ihrem Vater das Geschäft verderben wollte?“ Koch sieht den Jungen forschend an. „Nein.“ Christian schüttelt den Kopf.
„Ihre Gaststätte hatte gestern Ruhetag, Herr Kürten?“ Der Leutnant wendet sich wieder dem Hausherrn zu, der nickt, und Koch fährt fort. „Wo waren Sie gegen zweiundzwanzig Uhr?“ Kürten setzt irritiert das Glas ab. „Ich verstehe Ihre Frage nicht.“
„Nur Routine.“ Koch lächelt beschwichtigend.
„Sie wollen ein Alibi?“ Ellen Kürten ist so hilflos, daß jeden Augenblick Tränen auszubrechen drohen. Christian, der das erste Stadium des Schocks überwunden hat, kann der Mutter helfen. „Das Alibi bin ich.“
„Sie, Christian?“
„Wir haben ferngesehen. Meine Eltern und ich. Hier.“
Die nicken bestätigend.
„Sie waren den ganzen Abend zusammen?“
„Bis wir den Feuerschein sahen. Da sind wir gleich hin“, erklärt Christian.
Kurzes Schweigen. Koch sieht durch das Fenster auf das blaue, ruhige Wasser des Kellersees, auf dem ein Frachtdampfer eine schmutziggraue Rauchfahne dahinschleppt. „Herr Kürten, haben Sie Feinde?“
Da Kürten mit der Antwort zögert, meint Christian: „Wer sollte meinen Vater hassen? Ohne ihn wär's doch im Ort nicht so schnell aufwärtsgegangen.“
„Muß es denn uns persönlich gegolten haben?“ sagt Frau Kürten mit zitternder Stimme. Sie spielt darauf an, daß es in der Gegend mehrmals gebrannt hat. In den letzten Monaten dreimal. „Ich habe immer Wert darauf gelegt, daß meine Gäste zufriedengestellt werden.“ Der Kognak hilft. Kürten ist gefaßter. Er greift erneut zur Flasche. „Vielleicht war einer der Gäste doch nicht zufrieden“, gibt Koch zu bedenken.
„Aber deswegen gleich ... Soll das ein Witz sein?“
„Sie sind natürlich ausreichend versichert?“
„Und die ideellen Verluste?“ Kürten schnauft. „Ich habe zwanzig Jahre gebraucht, um aus dem, ‚seeschlösschen’ das zu machen, was es ist war...“
„Wir“, korrigiert die Frau, „wir haben zwanzig Jahre gebraucht.“ „Entschuldige. Natürlich wir.“ Leicht gereizt nimmt er es hin.
„Als ob das jetzt noch wichtig ist.“ Koch horcht auf.
„Alles verkohlt. Vorbei. Und meine Stammgäste amüsieren sich woanders.“ Der vierte Kognak fegt Kürtens bedrückte Stimmung weg. Er macht jetzt den Eindruck eines Mannes, der den Schaden verkraften wird.
Koch hat solchen Stimmungswechsel oft erlebt. „Ist das alles, woran Sie jetzt denken können?“
„Und woran denken Sie, Leutnant Koch? Sie ermitteln doch schon in drei anderen Fällen ohne Erfolg. Beziehungsweise, als Sie den Täter endlich hatten, konnten Sie ihn nicht verhaften. Er war...“
„Das wär's dann“, sagt Koch lächelnd, aber bestimmt. Kürten begleitet ihn hinaus. Ellen starrt noch auf die Tür, als draußen der Wagen anläuft, während Christian die Abfahrt des Kriminalisten vom Fenster aus beobachtet.

Umschlagentwurf: Günther Lück

Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Reihe: Blaulicht, Heft 200
1. Auflage 1980 
 

Richard Christ: Um die halbe Erde in hundert Tagen – Reisegeschichten

Klappentext:
Nicht nur Geschichten erzählen ist eine Kunst, Geschichten erleben nicht minder. Richard Christ besitzt sie und zugleich den Blick für Wesentliches, die Fähigkeit, Besonderes aufzuspüren, Details wahrzunehmen. „Geschichten sind überhaupt das Wichtigste“, sagt er und er zählt, was er während der hundert Tage seines Aufenthaltes in den großen, weiten und verschiedenartigsten Gebieten der Sowjetunion erlebte: Von der sibirischen Methode, mit Poeten umzugehen Vom Bauernjungen Alexander Wassiljewitsch, der in Stalingrad kämpfte und heute ein Professor ist – Von allerlei Tieren: Tigern, die an Herzinfarkt sterben, Fadenwürmern und einer illegalen Forelle – Von einem Museum mit tausendsiebenhundertsechsundachtzig Türen, tausendneunhundertfünfundvierzig Fenstern und zweieinhalb Millionen Ausstellungsstücken – Von einem Dorf ohne Menschen, in dem Tag für Tag die Glocken läuten – Vom Schlosser Kusnezow und seiner Familie – Von Teetrinker-Gesprächen und Tee-Erinnerungen – Von einem Ukrainer, der ein Sibirier wurde – Von einem Buch, das georgische Väter ihren Töchtern zur Hochzeit schenken – Von einem Marschall, der siebzig Jahre alten Kognak wegkippte – Vom Leipziger Messegold am Ararat – Von einem Abendessen mit Lehrerinnen und Ringern – Von Kolja, der als erster Journalist über die BAM schrieb – Von den Roten Adlern von Sardarabad – Von einer hundertjährigen Armenierin – Vom Reisen, das auch traurig macht – Und immer wieder von der Kraft und dem Mut sowjetischer Menschen. Und immer wieder von ihrer Gastfreundschaft, vom Essen und Trinken: Denn heilig ist der Gast, aber essen und trinken muß er.

Inhalt:
Vorgeschichte oder Die eiligen Inder ...... 7
Kaukasus
Die Besteigung des Berges Achun ...... 13
An beiden Ufern der Kura ...... 34
Sechs armenische Geschichten, nebst sechs Geschichten vom Kognak ...... 69
Baku und die wunderreiche Halbinsel Apscheron ...... 123
Mittelasien
Silberhochzeit, goldene Hochzeit ...... 141
Timurs Hauptstadt ...... 154
In den Moscheen von Buchara ...... 166
Basare, Basare ...... 173
Weißes Gold ...... 181
Taschkent, die trostreiche Stadt ...... 195
Frauen ohne Schleier ...... 209
Der verschwundene See ...... 222
Zwischen Ostsee und Ukraine
Die Mutter der Städte ...... 231
Deduschka Talaschs Enkel ...... 238
Die Reise nach Tallinn ...... 262
Kein Venedig des Nordens ...... 275
Die Hauptstadt
Moskau für Anfänger in fünfzehn Lektionen ...... 293
Die sechzehnte Lektion ...... 312
Wolga
In Lenins Heimat ...... 323
Splitter aus Stalingrad, Splitter aus Wolgograd ...... 331
Ferner Osten
Zwischen Sonne und Mond ...... 359
Tiger, mit bloßen Händen gefangen ...... 367
Taigafahrt ...... 384
Sibirien
Irkutsk zu allen vier Jahreszeiten ...... 409
... vor einen, der in der Freyheit ...... 419
Auf hundertstel Millimeter genau ...... 426
Von der Freude am Leben ...... 431
Tee und Literatur östlich des Urals ...... 440
Befragte Frager ...... 446
Herrlicher Baikal, vereist ...... 453
Vier Sonnen an der Angara ...... 465
Frühling in Sibirien ...... 492

Nachbemerkung ...... 507

Schutzumachlagentwurf Heinz Hellmis
unter Verwendung eines Ausschnitts aus einer Abbildung von Victor Vasarely


Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1976
2. Auflage 1977
3. Auflage 1979
4. Auflage 1981
5. Auflage 1984
6. Auflage 1986
7. Auflage 1987

Auch erschienen im
Buchclub 65
Berechtigte Ausgabe 1979

11 September 2024

Theo Harych: Bärbels und Lothars schönster Tag

Vorwort:
Liebe Jungen und Mädchen!
Anläßlich des Internationalen Kindertages am 1. Juni 1952 überreicht Euch der Bundesvorstand des FDGB dieses Kinderbuch als Geschenk. Dieses Buch soll in Euch viele schöne Erlebnisse und fröhliche Stunden aus dem Pionier- oder Betriebsferienlager wachrufen. Beim Lesen werdet Ihr Euch vorstellen, wie schön es in diesem Jahr in den Ferienlagern wird.
Gemeinsam mit den Jungen und Mädchen eines Ferienlagers, das die Werktätigen eines Betriebes für ihre Kinder aufgebaut haben, verlebte der Schriftsteller Theo Harych vier Wochen, von denen er in diesem Buch berichtet.
Wir danken allen Werktätigen, die durch ihre fleißige Arbeit Euch so frohe Ferientage ermöglichten und danken besonders der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, deren ganze Sorge den Kindern gilt und die Euch mit der 3. Anordnung zur Durchführung des Jugendgesetzes schöne Ferientage schenkte.
Ebenso wie die Kinder in der Sowjetunion und in den Volksdemokratien verlebt Ihr in der Deutschen Demokratischen Republik glückliche Ferientage, könnt lernen und fröhlich sein. Im Westen unserer Heimat kommt das von den Werktätigen erarbeitete Geld nicht den Kindern zugute, sondern wird für Kriegsvorbereitungen verwandt.
Die Organisation der Werktätigen, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, unterstützt sehr stark dieses Gesetz unserer Regierung, das dem Wohle der Kinder dient.
Wir wissen, daß Ihr die Facharbeiter, Wissenschaftler und Künstler, die Aktivisten und Helden der Arbeit von morgen seid. Wir werden Euch auch weiterhin helfen, auf allen Gebieten Eure Fähigkeiten zu entfalten.
Dieses Buch soll Euch Ansporn sein, in der Schule noch besser zu lernen und mit den Jungen Pionieren an einem fröhlichen Jugendleben teilzunehmen. Denn durch Euer gutes Lernen helft Ihr mit, daß bald alle Kinder der Welt in eine frohe Zukunft blicken können.
Wir wünschen Euch viel Freude beim Lesen dieses Buches und einen recht schönen Ferienaufenthalt.

Bundesvorstand
des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes


Buchanfang:
Zwei kleine Holzsammler
Der achtjährige Junge tauchte zuerst zwischen den dichten Bäumen auf. Pustend und stöhnend zog er einen Handwagen, der schon zur Hälfte mit trockenem Holz beladen war. Hinten schob tiefgebückt ein etwas jüngeres Mädchen. Ihre blonden Haare kräuselten sich über der Stirn, und zwei lange Zöpfe pendelten über der Brust hin und her. Plötzlich gab sie dem Wagen einen Stoß und blieb stehen. „Ich kann nicht mehr, Dieter“, rief sie und blies die erhitzten Wangen auf. „Nun mach doch schon, Bärbel! Wir sind ja gleich auf der Straße. Dann geht's bestimmt viel leichter“, rief Dieter. Aber Bärbel warf die lästigen Zöpfe trotzig nach hinten und schüttelte den Kopf. „Nein, ich will mich erst ausruhen.“
„Dann zieh' ich allein weiter!“
„Schaffst es doch nicht, bist ja viel zu schlapp, du Angeber.“ So neckte ihn Bärbel. Dieter zog den Rock aus, warf ihn auf den Wagen und zeigte ihr seine runden Arme. „Haa, raufsetzen kannst du dich, dann schaff' ich's immer noch“, prahlte Dieter.
„Au fein“, rief Bärbel lachend und kletterte flink auf den Wagen. Dieter spuckte nach Männerart in die Hände und zog an. Aber bald keuchte er, und auf der steilen Auffahrt zur Straße blieb der Wagen sogar ganz stehen.
„Kannst wohl nicht mehr?“ fragte Bärbel spottend und verzog geringschätzig den Mund.
„Sei still, du“, herrschte Dieter sie böse an.
„Soll ich dir etwa helfen?“
„Bleib doch sitzen, ich brauche deine Hilfe nicht.“ Dieter wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn, holte tief Atem und zog an. Doch nach drei Schritt war es wieder aus.
Auf der Straße stand ein blasser Junge zwischen Bündeln und Taschen neben seinen Eltern. Die Frau nickte müde und ließ sich erschöpft in das Gras am Straßenrand niederfallen. Der Mann warf den schweren Rucksack von den Schultern und sagte: „Komm, Lothar, setz dich drauf, denn die Erde ist noch kalt, und dein Husten darf nicht schlimmer werden.“ Lothar benetzte mit der Zunge die aufgesprungenen Lippen. „Hast du noch etwas Brot im Bündel?“ fragte der Mann. Als die Frau nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: „Nicht für mich, aber Lothar müßte sich ein bißchen stärken. Der Junge geht uns noch zugrunde, wenn das so weitergeht.“
Die Mutter kramte in ihrem Bündel und reichte schließlich dem Knaben eine Bierflasche: „Da, mein Kind, etwas Kaffee habe ich noch drin. Stärke dich ein bissel. Im nächsten Dorf werden wir vielleicht etwas zu essen bekommen“, tröstete sie. Lothar setzte die Flasche an die Lippen. Aber er trank nicht, sondern blickte mit großen Augen zu Bärbel und Dieter hin. Plötzlich streckte er den Arm aus: „Da, Mutter, hörst du, da spielen Kinder!“
Lothar freute sich über den lustigen Streit der beiden. Am meisten interessierte er sich aber für das Mädchen; denn er sah es unentwegt an. Jetzt sprang er auf. Schwarze Kreise tanzten vor seinen Augen. Aber er überwand die Schwäche und lief zum Wagen.
Bärbel wollte gerade absteigen, um Dieter zu helfen. Lothar sagte hilfsbereit: „Bleib sitzen, ich mach' das schon.“ Bärbel blickte den blassen Knaben mitleidig an. „Du?“
„Ja“, redete Lothar, „ich bin gar nicht so schwach, wie du glaubst!“ Bärbel schüttelte den Kopf: „Nein, aber bestimmt bist du krank.“ Dieter hatte die Deichsel losgelassen und kam, sich in den Hüften wiegend, angestampft: „Setz dich auch mit rauf, ich ziehe euch beide“, prahlte er wieder. Bärbel sprang vom Wagen herunter und sagte ärgerlich: „Du Angeber!“ Dann wandte sie sich an den Jungen, gab ihm die Hand und fragte: „Wie heißt du?“ „Lothar Wilde.“
„Und wo wohnst du?“ Lothar deutete zu seinen Eltern hinüber. „Ach, ihr seid Flüchtlinge?“ Lothar nickte. „Wo wollt ihr denn hin?“ Lothar hob die Schultern und sagte traurig: „Das wissen wir ja nicht.“
„Aber ihr könnt doch nicht immer draußen leben, ihr müßt doch wieder eine Wohnung haben“, meinte Bärbel.
„Ja“, erwiderte Lothar, wenn mein Vati wieder Arbeit hat, dann bekommen wir auch eine schöne Wohnung. Und Möbel kaufen wir uns dann auch, hat meine Mutti gesagt. Ja, und in die Schule will ich dann auch wieder gehen.“ Bärbel gab ihm die Hand: „Ich heiße Bärbel Fröhlich."
„Was hat denn dein Vater gearbeitet?“ mischte sich Dieter ein.
„Er war Baggerführer“, sagte Lothar.
„Genau wie mein Papa“, rief Bärbel überrascht.
Vater Wilde hatte die Unterhaltung kaum beachtet. Jetzt hörte er aber aufmerksam hin. “Wo wohnst du?“ fragte Lothar. Bärbel zeigte in den Wald hinein: “Dort .....“

Schutzumschlag, Einband und Illustrationen: Hilde Köppen, Berlin

Verlag Neues Leben, Berlin
1. Auflage 1952  

09 September 2024

Kolma Maier-Puschi: Saalefahrt

Buchanfang:
Anfang der Vorrede
Peggi Schäfer ist ein Mädchen von dreizehn Jahren. Sie geht in die 7. Klasse der 2. Grundschule von Blumenthal.
Ich kenne sie schon lange, und sie besucht mich manchmal. Ich wohne nicht weitab von ihr, wir sind sozusagen Nachbarn.
Diese Peggi nun machte in den letzten großen Ferien mit acht Kameraden, Pionieren und FDJlern, eine Wanderung an der Saale entlang, von der bayrischen Grenze quer durch Thüringen bis nach Naumburg. Als sie im September wieder zu Hause war, erzählte sie mir die Abenteuer, die ihre Gruppe erlebt hatte, und gab mir das Fahrtentagebuch, das sie unterwegs geführt hatten.
„Mach ein Buch daraus, Kolma“, sagte sie. „Ich glaube, es wird alle Kinder interessieren.“
Ich hatte gerade andere Sachen zu tun und keine rechte Lust dazu, aber Peggi ließ mir keine Ruhe.
„Unsere Jungen Pioniere gehen viel zuwenig auf Fahrt“, sagte sie, „das muß anders werden. Es gibt nichts Schöneres als solch eine Fahrt, aber sie wissen es nicht. Wir haben es in diesem Sommer erlebt, und wenn du alles so beschreibst, wie es war, dann bin ich sicher, daß jedes Kind Lust bekommen wird, loszuziehen und unser Land zu durchwandern.“
Ich war nicht ganz überzeugt von ihren Worten. Ein Buch lesen ist eines, und auf Fahrt gehen ist ein anderes, und ob jemand, weil er ein Buch gelesen hat, das von einer Fahrt berichtet, nun auch wirklich auf Fahrt geht, weiß ich nicht.
Aber als ich dann das Tagebuch der Saalefahrt las und mir noch einmal überlegte, was Peggi erzählt hatte, da bekam ich doch Lust, darüber zu schreiben.
Also jetzt geht's los, und es beginnt mit Jumbo Zierke.

Inhalt:
Anfang der Vorrede ...... 5
Jumbo besorgt Platz auf der Leuchtenburg ...... 6
Heute noch wandern? ...... 7
Oben der Sputnik - unten zu Fuß? ...... 11
Schluß der Vorrede ...... 27
Tagebuch der Saalefahrt ...... 30
Von Peggi aber fand ich nichts im Tagebuch ...... 60
Fortsetzung des Tagebuchs ...... 65
Konsequenzen auf der Leuchtenburg ...... 115

Illustrationen Werner Kulle

Für Leser von 12 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1958
2. Auflage 1959
3. Auflage 1960
4. Auflage 1962
5. Auflage 1964

Vilmos Korn: Das Nikolastürmchen

Buchanfang:
Das Nikolastürmchen
Hoch über der Elbe, gegenüber der alten Raubritterburg, auf dem Helfenberge, stand ein dickes Türmchen, mit zwei kreisrunden Fenstern: das eine nach Sonnenaufgang, das andere nach Sonnenuntergang.
In diesem Türmchen wohnte ein alter Maler. Die Stiefmütterchen, den roten Mohn, den Rittersporn und viele andere Blumen: niemand konnte sie anmutiger malen als der Meister Andreas. Doch nicht nur Blumen liebte er, auch Bäume und Tiere, vor allem aber die Kinder.
Die eigenen waren schon groß und waren weit fortgezogen, mitsamt den Enkelchen. Die einen nach Sonnenaufgang, in das Land, das hinter den Bergen lag. Die anderen nach Sonnenuntergang, in eine große Stadt.
So war der Meister Andreas allein.
Des Morgens früh ging er ans Fenster, sah hinaus zum hohen Schneeberg, hinter dem die Sonne aufging, und sagte: „Der Tag wird schön! Na wie wär's denn, Enkelchen?“
Aber niemand hörte ihn.
Des Abends stand er am anderen Fenster, sah den Fluß hinab und sagte: „Der Abend ist schön! Ich könnte eine Geschichte erzählen.“
Doch kein Enkelchen kam.
Aber es kamen fremde Kinder und besuchten den Meister Andreas.
Gleich hinter dem Türmchen lag ein Garten, nicht zu groß und nicht zu klein. Zeitiger als andernorts blühten die Schneeglöckchen, die Krokusblumen und der Ostergruß. Eine schlanke Birke hing ihr Gezweig über die Mauer. An jedem Ersten Mai wehte sie mit bunten Bändern über die Kinder hin, die zum Fest ins Dorf hinabzogen.
Die schönsten Erdbeeren reiften in dem Garten, und die ersten bekamen die Kinder. Dann wurden die Beeren an den Sträuchern süß, die gelben Kornäpfel und die Frühbirnen reiften, und die Nüsse wurden geschlagen.
Ein Baum aber stand im Garten, von dem durften sie nicht schmausen. Die roten Äpfel dieses Baumes reiften erst im Oktober. Auch heimlich nahm keines der Kinder von ihnen, denn mit diesen Äpfeln hatte es seine besondere Bewandtnis.
Eines Wintertags, als alle Dorfhäuser dicke Schneekappen trugen, tat Meister Andreas wieder einmal die Talgschaukel ins Vogelhaus und hing es vor dem Ostfenster auf, denn der Wind kam vom Westen.
Es dauerte nicht lange, da flogen zwei kohlschwarzköpfige, gelbgefiederte Meisen herzu. Meister Andreas kannte sie schon vom Sommer her, sie hießen Zwitscherin und Zwitscherinchen.
Kaum hatten sie das Vogelhaus erblickt, so waren sie auch schon darin. Zuerst schnabulierten sie am Korntröglein, dann aber turnten sie behende an der Talgschaukel und pickten dort so lange, bis sie satt waren.
Meister Andreas hob den Finger und fragte: „Ei, Zwitscherin und Zwitscherinchen, wie ist das heute mit kleinem Besuch?“
Zuerst legte Zwitscherinchen den Kopf nach links, dann legte Zwitscherin den Kopf nach rechts, und dann riefen beide zugleich: „Zwieied! Zwieied!“"
„Aha“, sagte Meister Andreas, „ich verstehe, es kommen zwei.“
Er blickte durch das runde Fenster auf die Bergstraße. .....

Illustrationen und Umschlagentwurf von Dagmar Elsner

Für Leser von 8 Jahren an

Gebrüder Knabe Verlag, Weimar
Reihe:
Knabes Jugendbücherei

1. Auflage 1964
2. Auflage 1965

Auch erschienen im
Kinderbuchverag, Berlin
Illustrationen von Hildegard Peschel-Haller
Hlw., 125 S.
1. Auflage 1956

06 September 2024

Hubert Gerlach: Der Fledderer

Klappentext:
Lektor Postel nennt es eine Story für Verrückte, was Hans Gaiser als Kriminalschriftsteller gerade produziert. Aber auch in Realität stehen „die Schaufensterpuppen nackt und bleich mit den Mienen enttäuschter Lottospieler vor dem herabgerissenen Vorhang, und das Ganze sieht fast aus wie der schüchterne Versuch einer Porno-Show, der die Männer im letzten Augenblick ferngeblieben sind ...“ Der verdächtigte junge Mann H. G. sitzt zu Beginn in Untersuchungshaft, am Schluß wird eine Täterin genannt. Gleichwohl ist das kein Kriminalroman der gewohnten Machart. Indem der „Fledderer“ einem Erpresser auf den Fersen bleibt und eine Geschichte schreibt, beginnt er sich aus seiner sozialen und individuellen Verklemmung zu lösen. Der Leser möge prüfen, wie „verrückt“ dieser ironische, hintergründig-skurrile Roman ist, der von komplizierten menschlichen Verhaltensweisen im Hier und Heute erzählt.

Schutzumschlag und Einband: Werner Haferkorn
Mit 7 Illustrationen vom Autor

Greifenverlag zu Rudolstadt

1. Auflage 1977
2. Auflage 1978

Im gleichen Verlag auch erschienen in der Reihe:
Greifen-Kriminal-Roman
„Der Joker; Der Fledderer“
1. Auflage 1980
2. Auflage 1984