28 September 2024

Entlang dem Goldenen Ring Rußlands – Bildreisführer

Buchanfang:
Die Schönheit altehrwürdiger Städte, der unvergängliche Wert von Geschichts- und Baudenkmälern, die goldenen Kuppeln von Kirchen, das herbstliche Gold der Wälder und Fehler sowie die lebendige, unlösliche Verbundenheit der Städte, entstanden an uralten, von Moskau gen Norden und Osten führenden Wegen, haben die gehaltreiche Metapher „Goldener Ring“ hervorgebracht. Hier ist von alters her die russische Kultur verwurzelt. In den Städten des „Goldenen Rings“ sind bis in unsere Tage Denkmäler aus dem 12. bis 17. Jahrhundert erhaltengeblieben: Erdwälle der Städte und Festungsmauern alter Klöster, Kirchen aus weißem Stein und Meisterwerke der Holzbaukunst, Fresken und Ikonen, Vielfarbmajolika und Holzschnitzereien. Der „Goldene Ring“, eine der beliebtesten Reiserouten von Touristen, führt durch mehrere Gebiete der sogenannten Nichtschwarzerdezone.
In den ländlichen Gegenden sind großangelegte Meliorationsarbeiten in Angriff genommen worden. Die hiesigen Ortschaften vergrößern sich, die Agrarproduktion wird mechanisiert.
Auch die alten Städte des „Goldenen Rings“ sind vom stürmischen Wachstum ergriffen. Errichtet werden Betriebe und Forschungsinstitute, Kulturhäuser und allgemeinbildende Schulen, Hochschulen und Fachschulen, Fernsehstudios und Druckereien. Für den Touristenstrom werden Servicezentren geschaffen. Hier pulsiert das dynamische, von alltäglichen Sorgen und Freuden erfüllte Leben unserer Zeit.
Unter all den Aufgaben in dieser Region steht mit obenan, die alten Städte des „Goldenen Rings" in ihrer historischen Urwüchsigkeit zu bewahren.

Inhalt:
Sagorsk .......... 16
Pereslawl-Salesski .......... 56
Rostow Weliki .......... 88
Jaroslawl .......... 124
Wladimir .......... 162
Susdal .......... 190
Iwanowo .......... 228

Text: Juri Bytschkow und Wladimir Dessjatnikow
Aus dem Russischen von Harry Naujoks
Fotos. Wadim Tushikow, Lew Weismann, Wadim Gippenreiter, Vitali Doroshinski, Lew Raskin, Jewgeni Rjabow

Planeta-Verlag Moskau
1. Auflage 1980
2. Auflage 1984
3. Auflage 1988

Rosemarie Klaus: Der böse Geist des Niagarafalls – Märchen nordamerikanischer Indianer

Buchanfang:
Der böse Geist des Niagarafalls
Hell funkelten die Sterne über Wälder und Blumen, über Hügel und schlafende Felder. Die Winde ruhten aus in den Höhlen der Felsen, und ruhig strömten die Wasser des breiten Flusses dahin. Aus dem Dunkel des Waldes traten ein Jüngling und ein Mädchen ins Freie. Grimmig wie ein Wolf schaute der junge Indianer drein, aber mild wurde sein Blick, als er sich an seine Begleiterin wandte:
„Ruhe nun aus, Anutha, hier sind wir sicher. Deine Sippe hat die Verfolgung aufgegeben. Streck die müden Glieder, indes ich ein Kanu suche, das uns ans andere Ufer zu meinen Stammesbrüdern bringen soll. Dort werde ich für uns ein Haus bauen, und jeder Tag wird neue Freude für uns beide sein.“ Aber das Herz des Mädchens war von bangen Ahnungen erfüllt:
„Laß mich nicht allein, Moscharr! Horch, wie böse das Wasser rauscht!“
„Schließ die Augen und ängstige dich nicht“, beruhigte Moscharr das Mädchen, „bald bin ich wieder bei dir.“ Leichtfüßig eilte er davon, doch Anutha fand keine Ruhe. Ihre Hände bebten vor Furcht, und immer noch flüsterte sie: „Laß mich nicht allein, laß mich nicht allein!“
Aber nicht lange dauerte es, da hörte sie den festen Tritt des Geliebten. Lachenden Auges stand er vor ihr und sagte:
„Ich bin's. Sei frohen Mutes. Am Ufer wartet ein Kanu, das uns schnell und sicher in die Heimat führen wird.“ Befreit von aller Angst sprang Anutha ins Boot, der Jüngling hinterdrein, und ruhig glitten sie stromabwärts.
Aber bald fragte das Mädchen verwundert ihren Begleiter: „Sag, Moscharr, wohin führst du das Kanu? Merkst du nicht, wie die Strömung uns fortreißt?"
„Sei unbesorgt, Anutha, wir treiben ans Ufer.“
Nun drang es wie Donnergrollen an ihr Ohr.
„Moscharr, wohin führst du das Boot? Was wir hören, kann der Donner nicht sein, denn ich sehe keine Wolken am Himmel. Es kann auch die erzürnte Stimme des Großen Geistes nicht sein, denn er ist den Irokesenmädchen freundlich gesinnt.“
„Bleib ruhig, Anutha, die Nacht ist schön, laß uns ein wenig stromab treiben. Ich vermag das Boot jederzeit ans sichere Ufer zu lenken.“
Pfeilschnell glitten sie unter den glitzernden Sternen dahin. „Moscharr, was bedeutet das Tosen und Krachen, das immer näher kommt?“
„Es ist der Sturm, der durch die Wipfel der hohen Bäume braust.“
Immer lauter wird das Donnern und Tosen, immer schneller wird die Fahrt. So treibt das Kanu dem furchtbaren Wasserfall, dem wilden Oniagarah zu. Keine Träne dringt aus den Augen des Mädchens, keine Klage kommt über ihre Lippen. Moscharr ist ja bei ihr. An seiner Seite kann sie der Tod nicht schrecken.
Als aber das Boot an einem Uferfelsen vorüberfliegt, der weit in den Strom hineinragt, stößt Anutha einen gellenden Schrei aus. Denn oben, am Rande des Felsens, sieht sie den Geliebten stehen. Entsetzen verzerrt sein Gesicht. Verzweifelt streckt er die Arme nach ihr aus und ruft ihren Namen. Aber der Strom reißt das Boot mit sich fort. In wilder Angst schaut Anutha auf ihren Begleiter:
„Wer bist du, der du die Gestalt Moscharrs angenommen hast? Was willst du von mir?“
Der andere schweigt, aber in seinen Augen leuchtet es unheimlich auf. Und schon wird das Kanu vom Strudel gepackt, dreht sich wild im Kreis und stürzt dann mit den donnernden Wassern in die Tiefe.
Auf dem Uferfelsen aber steht Moscharr, als wäre er zu Stein erstarrt, und sieht, wie das Boot seinen Blicken entschwindet. Wer war es, der seine Gestalt angenommen und Anutha entführt hat? Nur einer ist solch böser Zauberei fähig! Der gefürchtete Geist des Niagarafalls! Niemals mehr wird Moscharr die Geliebte wiedersehen.

Inhalt:
Der böse Geist des Niagarafalls
       Märchen der Irokesen .......... 5
Die Rache des Sokumapi
       Märchen der Algonkin .......... 12
Die dankbare Steinriesin
       Märchen der Irokesen .......... 18
Die heilenden Wasser
       Märchen der Irokesen .......... 25
Bärenfell und die sieben Brüder
       Märchen der Algonkin .......... 31
Die Geschichte von Kutoyis
       Märchen der Algonkin .......... 38
Algon und das Sternenmädchen
       Märchen der Algonkin .......... 48
Die Menschenschlangen
       Märchen der Dakota .......... 57
Großkopf und die zehn Brüder
       Märchen der Irokesen .......... 64
Mon-da-min, die Gabe Manitus
       Märchen der Algonkin .......... 72
Wie der Biberzauber zu den Algonkin kam
       Märchen der Algonkin .......... 76
Glooskap, der Schöpfer der Welt
       Märchen der Algonkin .......... 85
Sayado und die Donnermänner
       Märchen der Irokesen .......... 94
Die Weidenmänner
       Märchen der Irokesen .......... 102
Schildkröte und das gelbe Büffelkalb
       Märchen der Caddo .......... 112
Napi und der Büffeldieb
       Märchen der Algonkin .......... 120
Biber und Stachelschwein
       Märchen der Athapasken .......... 127
Schwarzfalke und der Wunderrappe
       Märchen der Caddo .......... 135
Das Steinerne Kanu
       Märchen der Athapasken .......... 144
Genetaska, die Hüterin des Friedens
       Märchen der Irokesen .......... 151

Einband und Illustrationen von Günther Lehmann

Alfred Holz Verlag, Berlin
1. Auflage 1960
2. Auflage 1961
3. Auflage 1965
4. Auflage 1973
5. Auflage 1976
6. Auflage 1983



Cover der 1. und 2 Auflage; Illustration: Ruprecht Haller
Cover der 3. Auflage; Illustrationen: Günther Lehmann


Cover der 4. bis 6. Auflage;
Illustrationen: Viera Bombová;
ersch. in der Edition Holz im Kinderbuchverlag

26 September 2024

Mark Twain: Tom Sawyers Abenteuer; Huckleberry Finns Abenteuer

VORWORT
Die meisten der in diesem Buch festgehaltenen Abenteuer sind wirklich geschehen, ein oder zwei erlebte ich selbst, die übrigen begegneten Jungen, die mit mir in die Schule gingen. Huck Finn ist nach dem Leben gezeichnet, Tom Sawyer ebenfalls, jedoch nicht nach einem einzelnen; er ist die Verbindung der Charaktereigentümlichkeiten dreier Jungen, die ich kannte, und gehört deshalb zur architektonischen Säulenordnung mit Kompositkapitell.
Die beiläufig erwähnten, eigenartigen abergläubischen Vorstellungen herrschten sämtlich zur Zeit dieser Begebenheiten, das heißt vor dreißig, vierzig Jahren, bei Kindern und Sklaven im Westen.
Obgleich mein Buch vor allem für die Unterhaltung von Jungen und Mädchen bestimmt ist, hoffe ich doch, daß Männer und Frauen es deshalb nicht meiden werden, denn meine Absicht war zum Teil, Erwachsene auf angenehme Weise daran zu erinnern, wie sie einst selbst waren, wie sie empfanden, dachten und redeten und in was für seltsame Unternehmungen sie sich zuweilen einließen.
Hartford, 1876 / Der Verfasser

Buchanfang:
„Tom“
Keine Antwort.
„Tom“
Keine Antwort.
„Was ist bloß wieder los mit dem Jungen, möcht ich wissen! Huhu, Tom!“
Die alte Dame schob ihre Brille hinunter und blickte darüber hinweg im Zimmer umher, dann schob sie sie hinauf und blickte darunter hervor. Selten oder nie blickte sie hindurch, um nach einem so kleinen Gegenstand wie einem Jungen Ausschau zu halten, denn es war ihre Staatsbrille, der Stolz ihres Herzens, geschaffen, um „elegant“ zu wirken, und nicht, um ihr zu dienen; ebensogut hätte sie auch durch ein Paar Herdringe blicken können. Einen Augenblick schien sie verblüfft, dann sagte sie, nicht gerade zornig, aber doch laut genug, daß es die Möbel hören konnten: „Na warte, wenn ich dich erwische, dann...“
Sie beendete den Satz nicht, denn sie hatte sich bereits gebückt und stieß mit einem Besen unter dem Bett herum daher brauchte sie ihren Atem, um den Stößen Nachdruck zu verleihen. Sie förderte nur die Katze ans Licht.
„So was wie diesen Bengel hab ich noch nicht gesehn!“
Sie trat an die offene Haustür, blieb stehen und ließ den Blick über die Tomatenstöcke und „Steckapfelbüsche“ schweifen, aus denen der Garten bestand. Weit und breit kein Tom. Sie hob daher die Stimme zu einer für die Ferne berechneten Lautstärke und rief: „Hu-h-u-u, Tom!“
Hinter ihr war ein leises Geräusch zu vernehmen, und sie wandte sich um, gerade noch rechtzeitig, um einen kleinen Jungen beim Jackenzipfel zu erwischen und seine Flucht zu vereiteln. „Da bist du ja! An den Wandschrank hätt ich auch denken können! Was hast du denn da drin getan?“
„Nichts.“
„Nichts. Guck dir doch deine Hände an, und guck dir deinen Mund an. Was ist das für Zeug?“
„Weiß ich doch nicht, Tante.“
„Na, ich weiß es aber. Marmelade ist's! Hundertmal hab ich dir gesagt, bleib mir von der Marmelade, sonst gerb ich dir das Fell. Reich mir mal die Rute her.“
Die Rute schwebte in der Luft. Es bestand höchste Gefahr.
„O herrje! Guck dich um, Tante!“
Die alte Dame fuhr herum und raffte mit einem Griff ihre Röcke hoch, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen; im gleichen Augenblick entfloh der Junge, erkletterte den hohen Bretterzaun und verschwand darüber. Tante Polly stand einen Augenblick verdutzt da und brach dann in leises Lachen aus.
„Zum Kuckuck mit dem Bengel! Werd ich's denn nie lernen? Hat er mir nicht genug solche Streiche gespielt, .......“

Einbandgestaltung Elisabeth Shaw/ Heinz Hellmis
Deutsch von Lore Krüger

Titel der amerikanischen Originalausgaben:
The Adventures of Tom Sawyer; The Adventures of Huckleberry Finn


Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1984

 

1984 erchienen im Aufbau-Verlag
weitere Titel von  Mark Twain
in gleicher Aufmachung.

25 September 2024

Achim Elias: Ohrfeigen für einen Helden

Einbandtext:
Michael Lamm, zu seinem Kummer immerfort Lämmchen genannt, hat die Zimmermannslehre beendet, aber er ist noch unfertig in jeder Hinsicht. Er will sich beweisen, doch es reicht noch nicht; er ist arg auf die Nase gefallen. Nun steht er auf und geht zur Großbaustelle, um vor sich selber auszureißen. Die Unfertigkeit und die Ambitionen nimmt er mit.
Mit dieser Erzählung bringt Achim Elias ein großes Stück Wirklichkeit in die Literatur für junge Leser. Sie spürt den Träumen und Fragen der zwölf- bis vierzehnjährigen Leser nach: Wie wird das sein, wenn wir ins Arbeitsleben treten? Wie werden die wirklichen Bewährungssituationen sein? Lämmchen wird es nicht einfach haben, als Neuer in dieser berühmten Turmbauerbrigade.

Buchanfang:
Nein, krumm geht er nicht. Nur, er hat den Kopf ein bißchen nach vorn geschoben, die Hände tief in den Taschen, die Ellbogen sind fest an den Körper gepreßt. Und das sieht so aus, als müsse er sich irgendwo durchzwängen.
Einer wie andere auch.
Bisher hatte sich Michael Lamm für groß gehalten. Nun, plötzlich, spürt er, daß er groß geworden ist. Siebzehn Jahre der Mann, Lämmchen genannt, trotz alledem.
1
Zu Hause angekommen, schmettert er die Haustür ins Schloß. Haut sie zu wie einer, der in voller Fahrt mit seinen Wünschen und Träumen, mit all seinen Hoffnungen gegen eine unerbittliche Betonwand gerast ist. Er glaubte, grünes Ampellicht vorzufinden, hochgezogene Schranken, asphaltierte, glatte, schnurgerade Straßen. Statt dessen fand er Hindernisse vor, er holte sich Brüschen und Beulen. So etwas schmerzt.
Kleinmütig aber, einer von denen, die aufgeben, ist er nicht. Dieses Lächeln des Arztes, seine spöttische Rede: „Fallschirmjäger wollen Sie werden? Der Himmel erbarme sich Ihrer! Der Wind wird Ihre neunundvierzig Kilo packen, ......“

Illustrationen von Volker Pfüller
Für Leser von 12 Jahren an
 
Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1979
2. Auflage 1980
3. Auflage 1981
4. Auflage 1983
5. Auflage 1984

Selma Lagerlöf: Gösta Berling

Buchanfang:
Der Pfarrer
Endlich stand der Pfarrer auf der Kanzel. Die Leute in der Kirche hoben die Köpfe in die Höhe. Er war es also wirklich! So fiel denn die Predigt diesen Sonntag doch nicht wieder aus wie am letzten Sonntage und an vielen Sonntagen vorher.
Der Pfarrer war jung, von hohem Wuchs, schlank und strahlend schön. Wenn man ihm einen Helm auf den Kopf gesetzt und ihm ein Schwert und einen Harnisch umgehangen hätte, so wäre er der beste Vorwurf für eine Marmorstatue gewesen, die man getrost nach dem schönsten aller Griechen hätte benennen können.
Der Pfarrer hatte die tiefen Augen eines Dichters und das feste, runde Kinn eines Feldherrn. Alles an ihm war schön, ausdrucksvoll - durchglüht von Genialität und geistigem Leben.
Die Leute in der Kirche fühlten sich eigenartig bedrückt, als sie ihn so erblickten. Sie waren daran gewöhnt, ihn schwankenden Schrittes aus der Schenke herauskommen zu sehen in Gesellschaft lustiger Kameraden wie Oberst Beerencreutz mit dem dicken weißen Schnurrbart und Kapitän Bergh mit der gewaltigen Körperkraft.
Er hatte sich derartig dem Trunk ergeben, daß er mehrere Wochen hindurch sein Amt nicht mehr hatte ......

Inhalt:
ERSTER TEIL
Der Pfarrer 3
Der Bettler 13
Die Christnacht 27
Das Weihnachtsfestmahl 41
Gösta Berling, der Poet 53
La cachucha 68
Der Ball auf Ekeby 72
Die Auktion auf Björne 101
Die junge Gräfin 129
Gespenstergeschichten 155
Ebba Dohnas Geschichte 169
Mamsell Marie 191
Vetter Kristoffer 203
Lebenswege 209
ZWEITER TEIL
Buße 225
Das Ekebyer Eisen 237
Liliencronas Heim 250
Die Hexe vom Hochgebirge 256
Frau Musika 261
Der Pfarrer von Broby 270
Die tönernen Heiligen 277
Gottes Gesandter 286
Alte Lieder 300
Der Tod, der Befreier 312
Die Dürre 322
Des Kindes Mutter 337
Das Mädchen aus Nygord 347
Der Markt zu Broby 363
Der Schatz des Pfarrers von Broby 372
Margarete Celsing 394

Autorisierte Übersetzung aus dem Schwedischen von Mathilde Mann
Einbandentwurf: Hans Langenberg

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig
1. Auflage 1950
2. Auflage 1952
3. Auflage 1953
4. Auflage 1957
5. Auflage n.a
6. Auflage n.a
7. Auflage 1964

Auch erschienen bei:
Verlag der Nation, Berlin
Reihe:
Roman für alle ; Bd. 38
1. Auflage 1954

Verlag Neues Leben, Berlin
Reihe:
BASAR
1. Auflage 1978

23 September 2024

István Száva: Der Zauberer Edison

Einbandtext:
Phonograph, Mikropbon, Glühlampe – nur Stationen auf seinem Weg, doch für immer mit seinem Namen verbunden. Ein leidenschaftlicher Erfinder, oft ohne Erfolg, doch bis zu seinem Lebensende voll unermüdlicher Tatkraft.

Buchanfang:
„Fünf! Hast du es gesehen? Fünfmal ist er hochgesprungen!“ jubelte Jackie. „Bei dir nur dreimal, bei mir fünfmal!“ „Es waren nur viermal!“ widersprach Al und schüttelte den Kopf.
„Fünfmal!“ wiederholte Jackie.
„Beim fünften hüpfte der Stein nicht, sondern glitt nur ein bißchen auf dem Wasser weiter ... Aber hier kann man ja gar nicht richtig Steine tanzen lassen. Auf dem See geht es viel besser, der hat keine Strömung. Dort habe ich auch schon so geworfen, daß er siebenmal hüpfte.“
„Am See geht es besser“, gab Jackie zu. „Aber wenn er auch nur viermal gehüpft wäre, dann hätte ich trotzdem gewonnen. Deiner ist ja nur dreimal hochgeschnellt.“
„Das sind keine guten Kieselsteine“, sagte Al achselzukkend. „Flach und rund müßten sie sein. Mit denen kann man richtig werfen. Am See gibt es solche.“
„Die taugen auch nichts“, meinte der andere, indem er die Hand öffnete und sie dem Freund entgegenstreckte. „Sie sind alle zu dick. Höchstens dieser hier.“
Al versuchte es noch einmal, aber er hatte wieder kein Glück.
Während des Fluges neigte sich der Stein, und als er das Wasser berührte, versank er sofort.
„Ich habe ja gesagt, daß das hier alles nichts taugt, weder die Steine noch der Kanal. Am See können wir um die Wette werfen“, sagte Al .....

Titel der ungarischen Originalausgabe: A menlo-parki varázsló
Ins Deutsche übertragen von Georg Harmat
Gekürzte Ausgabe

Illustrationen: László Réber
Einband: Eberhard Binder-Staßfurt

Verlag Neues Leben, Berlin
Reihe:
Neue Edition für junge Leute
1. Auflage 1966 

20 September 2024

Juri Abdaschew, Juri Kasakow: Der Sohn des Poseidons – und andere Erzählungen

Heftanfang:
DER SOHN POSEIDONS
Kaum war Nina ins Meer geglitten, da bot sich ihr eine völlig neue, unbekannte Welt dar. Sie hatte den Eindruck, als sei hinter dem dicken Glas ihrer Taucherbrille überhaupt kein Wasser, so deutlich war auf dem Grund jedes Steinchen, jedes Gräschen zu sehen. Nur in großer Entfernung verschwammen die Konturen des Grundes allmählich in geheimnisvollem bläulichem Nebel. Zwischen glatten Kieseln huschten gesprenkelte Seepferdchen dahin, Kaulköpfe wedelten träge mit dem Schwanz.
Eine halbe Stunde später sonnte sich Nina am Ufer und beobachtete Igor. Sie sah ihn wiederholt tauchen und dann, oben schwimmend, den Pfeil mit der Harpunenleine vom Grunde heraufziehen. Gegen Mittag schließlich gelang es ihm, einen bräunlichen Fisch mit weißen Querstreifen zu schießen.
„Was für ein hübscher kleiner Barsch!“ stieß er durch die Zähne, nachdem er sich auf dem heißen Ufergeröll ausgestreckt hatte. „Ein Pfund wird er haben...“
Nina sah, daß der auf dem Ufer welk gewordene Barsch kaum dreihundert Gramm wog und daß Igor sich noch im Banne des unterseeischen optischen Trugbildes befand. Sie war jedoch entschlossen, sein männliches Ehrgefühl nicht zu kränken, und antwortete schnell: „Ja, keinesfalls weniger.“
Nina liebte diesen Mann. Sie liebte sein etwas herablassendes Lächeln und seine blauen Augen mit den elektrischen Fünkchen. In seiner Nähe fühlte sie sich wohl und stets ein wenig erregt. Sie wußte: Igor stand mit beiden Beinen fest auf der Erde. Alles im Leben gelang ihm. Er war ehrgeizig und beharrlich. In der Aspirantur des ökonomischen Instituts, wo er studierte, prophezeiten ihm die Professoren eine glänzende. Zukunft. In einem Monat sollte sie seine Frau werden. So war es beschlossen.
Am Ufer entlang kamen zwei Jungen. Ihrem Aussehen nach mußten sie aus dieser Gegend stammen. Der eine trug eine selbstgebastelte Harpune, der andere einen Draht mit einem Dutzend toter Fische.
„Was habt ihr da für Fische?“ rief Nina sie an, als sich die beiden auf gleicher Höhe mit ihr befanden.
„Grundeln und Kaulbarsche“, erklärte der eine, der schwarz war wie ein Neger und einen großen platten Kopf hatte. Er sah jünger aus als sein Begleiter. „Vitka spießt sie mit 'nem Draht auf. Macht nichts, für 'ne Fischsuppe taugen sie.“
Während er das sagte, tappte er ungeschickt mit bloßen Füßen auf dem heißen Geröll herum. Dann fragte er nach kurzem Nachdenken:
„Wie ist's, Tantchen, wollen Sie uns nicht eine Muschel abkaufen?“ Er faßte in die Tasche und brachte zwei spiralenförmige schartige Muscheln von der Größe einer kleinen Zwiebel zum Vorschein. Außen hatten sie eine poröse Kalkschicht, innen dagegen eine Glasur in warmen Orangetönen.
„Wir machen's billig“, sagte er verlegen, „zehn Kopeken das Stück. Das sind sie schon wert.“
„Habt ihr die selbst gefunden?“ fragte Nina und betrachtete interessiert eine Muschel.
Das Bürschlein mit der Harpune zog seine bis an die Knie nassen Hosen hoch.
„Wer denn sonst?“ antwortete er spitz.
Igor hob träge den Kopf. Seine hellen, vom Wasser benetzten Wimpern verdeckten fast ganz seine Augen.
„Gibt es auch große?“ fragte er.
„'s gibt welche, die sind so groß wie 'ne Untertasse. Sooo!“ Der Junge zeigte es mit den Händen. Aber man kriegt sie nicht. Die liegen ungefähr fünfzehn Meter tief, wenn nicht mehr, und am Ufer sind alle großen längst weggefischt."
 „Schade“, sagte Nina und holte eine helle Münze aus ihrer Geldbörse.
„Denken Sie nicht, die hier wären leicht zu kriegen“, sagte der mit dem großen Kopf, als wolle er sich rechtfertigen. „Da muß man auch tauchen, und nicht zu knapp! Manchmal schluckt man Wasser und bekommt Nasenbluten. Und überhaupt das kann nur Paschka.“
„Die großen holen?“ fragte Igor spöttisch.
„Nee, die kriegt auch er nicht“, antwortete der ältere, der Igors Ironie nicht bemerkt hatte, ernst. „Die kann man bloß mit einem Tauchgerät raufholen.“ Er warf geschickt das Zehnkopekenstück hoch, fing es wieder und ging seines Wegs.
„Wer ist denn dieser Paschka?“ fragte Nina den jüngeren Burschen, der drauf und dran war, seinem Kameraden zu folgen.
„Was, Sie kennen Paschka nicht?“ fragte der Bengel ehrlich erstaunt. „Paschka von den Kahlen Felsen.“
Diese Erklärung schien ihm offenbar erschöpfend zu sein. Aus Höflichkeit blieb er noch ein Weilchen stehen und betrachtete den toten Barsch.
„Was wollen Sie denn mit dem Ding da?“ fragte er und stieß Igors bescheidene Beute mit dem Fuß an. „So was fressen doch bloß die Katzen...“
Die Tage vergingen, aber Igor war das Jagdglück nicht hold. Die Fische hier waren vorsichtig. Lediglich ein paar kleine Karauschen und Stücker acht nutzlose grüne Lippfische kamen auf sein Konto. All das war eines echten Jägers unwürdig. Aber auch bei den anderen klappte es nicht besser. In der ganzen Zeit gelang es nur zwei Glücklichen, Meeräschen zu schießen. Das erregte am Ufer eine Sensation. Über Paschka von den Kahlen Felsen gingen unter den Tauchern Legenden um. Es hieß, er sei der erfolgreichste Unterwasserjäger an der ganzen Küste von Noworossisk bis Tuapse.

Inhalt:
  3 ..... Juri Abdaschew - Der Sohn Poseidons
26 ..... Juri Abdaschew - Das unvollendete Aquarell
46 ..... Juri Kasakow - Ein stiller Morgen

Originaltitel:
Der Sohn Poseidons - Съли Посейдона
Das unvollendete Aquarell - Неоконченная акварель
Ein stiller Morgen - Тихое утро

Umschlag und Illustrationen: Detlev Schüler

Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin
Reihe:
kap | Krimi-Abenteuer-Phantastik Nr. 71
1. Auflage 1968 

18 September 2024

Krimi-Abenteuer-Phantastik [kap]


Krimi - Abenteuer - Phantastik | kap
war eine an Jugendliche gerichtete, populäre Heftreihe aus Erzählungen der Genres Krimi, Abenteuer und Phantastik aus der DDR. Es wurden Neuerscheinungen und Übersetzungen überwiegend von zeitgenössischen Autoren veröffentlicht, zum großen Teil aus der Sowjetunion oder anderen befreundeten osteuropäischen Staaten.


Der größte Teil der Hefte war illustriert, erschien als Nachfolger der Kleinen Jugendreihe von 1966 bis 1971 im Verlag Kultur & Fortschritt, Berlin (nach der Fusionierung im Verlag Volk und Welt), bis einschließlich 1969 halbmonatlich, ab 1970 nur noch etwa monatlich, jeweils im Format 15 × 11 cm ab Heft 73 dann im Format 16,5 × 11,5 cm. Das Einzelheft kostete konstant 35 Pfennig. Der Umschlag war mit einer farbigen Illustration versehen. Der Umfang des Heftes umfasste 64 Seiten.

Quelle: Wikipedia 

Im Zeitraum von 1966 bis 1971 erschienen 114 Hefte.

  
Beispiel der Einbandgestaltung


Detlef Niese: Thoms der Seemann

Einbandtext:
Vom Meer träumt Thoms, von Bezwingern des Pols und von harten Bewährungsproben. Zunächst aber hat er Mühe, seine Klasse, die in einem neuen Wohngebiet erst zusammenwachsen muß, für eine Fahrt zur Ostsee zu begeistern. Nicht um faul in der Sonne zu liegen, nein, unter Thoms' Kommando soll in der maikühlen See getaucht und nach einem Wrack gesucht werden. Selbst Jens, der sein Freund sein möchte, zaudert angesichts von Abhärtungsprogrammen und Tauchübungen. Und Markus? Von der Clique Wörmanns, der ihn so demütigt, will er sich endgültig befreien. Was könnte er mit einem Freund wie Thoms alles bewerkstelligen! Doch wird Markus nicht nur „Hilfsmatrose“ sein auf dem Schiff, das Kapitän Thoms führt? Bedeutet Freundschaft, daß nur einer das Sagen hat?

Buchanfang:
Es ist kurz vor sieben Uhr. Thoms wirft sich auf die andere Seite. Gleich wird die Tür aufgehen: Tomilein, aufstehn. Das muß Mutti langsam lassen, findet er, schließlich ist er dreizehn.
Über dem Bett der Kapitän und sein Dampfer. Das Poster stammt aus dem Schiffahrtsmuseum. Schiffe haben es Thoms angetan. Überhaupt das Meer. Das Meer, Eugen und das Wrack.
»Tomilein, aufstehen, es ist soweit. Die Milch ist angebrannt. Tschüß! Denk an die Kartoffeln. Wir kommen heute später.«
»Jaaa.« Thoms dehnt sich und sackt zusammen. Noch drei Minuten. Sorgen quälen ihn. Die Klassenfahrt – erst hatten alle die große Klappe und wollten mit. Und nun?
Drei Wochen war er im Sommer mit seinen Eltern bei Lina, der Oma aus dem Rügendorf. Morgens aufs Rad und den dünnen Feldweg hinunter zum Meer. Immer war es anders, das Meer. Aber hier, wenn er aus dem Fenster sieht: riesige Häuser und hundert stumme Fenster.
Er knipst das Radio an: Findigs. Unter dem Telefon klemmt ein Zettel von Mutti. In der Küche riecht es angebrannt. Thoms angelt aus dem Kühlschrank eine Tüte Milch. Die Küche von Oma Lina fällt ihm ein. Uralt alles. Im weißen Schrank hängt ein Leinenläufer: »Ernst im Sinnen – weiß das Linnen«; und draußen auf dem Hof gackern jetzt bestimmt die Hühner.
Nachrichten. Thoms schneidet die Schrippe auf und schmiert Honig drauf. – In El Salvador haben sie vier holländische Journalisten ermordet. – Die Wandzeitung! Er hat sie vergessen.
Frau Hahnfeld schreit unten. Sicher wieder der Junge. Er bekommt eine geheimnisvolle Medizin und wächst und wächst nicht. Jeden Morgen holt ihn ein Taxi.
Waschzeit. Er blickt in den Spiegel: Es geht, der Klassenclown Markus Ebert hingegen hat tausend Pickel im Gesicht, der Fridolin.
Aus dem Wohnzimmer dringt der Wetterbericht: acht Grad, Regen. Schöner Frühlingsanfang. Trotzdem will er sein Rad heute zum Mechaniker bringen.

Illustrationen von Dieter Müller
Für Leser von 12 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1986

17 September 2024

Jacek Joachim: Bridge

Heftanfang:
„Schon der fünfte Selbstmörder in diesem Monat“, stöhnte Grzywiński, als wir endlich im Wagen saßen. „Sind die Leute verrückt geworden? Was mag dem Kerl bloß in den Kopf gestiegen sein? Sich am eignen Gardinenhaken aufzuhängen!“
„Ich verstehe deinen Ärger“, sagte ich und öffnete gequält die Augen, „aber wenn du nicht ein bißchen origineller wirst, schlafe ich ein, bevor wir an Ort und Stelle sind. Ich darf überhaupt nicht daran denken, daß ich gestern noch den Kasprowy Wierch runtergerauscht bin. Und jetzt dieses Sauwetter: dicker Nebel, Plusgrade und dazu deine Geistesblitze. Zum Auswachsen!“
„Du bist ja selber schuld“, knurrte Grzywiński. „Du hättest den einen Tag opfern, schon gestern fahren und dich ordentlich ausschlafen sollen. Aber nicht bei diesem Wetter die ganze Nacht auf der spiegelblanken Chaussee liegen!"
„Hast ja recht“, sagte ich und schloß die Augen. „Es klingt jedenfalls sehr vernünftig.“
Ich mußte für einen Moment eingenickt sein. Grzywińskis Stimme weckte mich wieder.
„Da sieh mal, ‚Elpa'. An dieser Leuchtreklame bin ich bestimmt hundertmal vorbeigefahren, ohne mir was dabei zu denken. Entschuldige, daß ich dich störe, aber wir sind so gut wie da.“
Wir hielten vor einem schmalen, modernen Gebäude zwischen alten Mietshäusern, einem hoch aufragenden Lückenbau. Das graue Licht des Märztages verlor sich in den riesigen Scheiben, die silberhelle Fassade war in matten Schimmer getaucht.
„Sag doch selbst, so ein Haus, an so einem Punkt!“ Grzywiński schüttelte den Kopf, während wir im Fahrstuhl standen. „Eine gute Stellung, Titel. Anstatt der Dusche hat er vermutlich ein Füllhorn im Bad. Worin besteht denn sonst – na, gar nicht einmal Glück, lach nicht!, aber wenigstens Zufriedenheit im Leben? Worin, frag' ich dich?“
„Wenn du diesen konkreten Fall meinst“, murmelte ich, „dann werden wir auf eine derartige Frage wahrhaftig zu antworten haben.“
Das Folgende war Routine. Der Einsatztrupp kam kurz nach uns, Fotoapparate klickten, Spuren wurden gesichert, alle Winkel der Wohnung durchsucht. Schließlich brachte man die Leiche hinaus, worauf ich außer Grzywiński und einem Ermittler, der es sich im Vorzimmer bequem machte, alle fortschickte. Jetzt erst war es möglich, sich in der Wohnung umzusehen und über den Mann nachzusinnen, der darin gelebt hatte.
Grzywińskis voreilige Fragen schienen nicht unbegründet. Dozent Doktor Jabczyński, Direktor des Versuchsbetriebs ‚Elpa’, hatte zurückgezogen gelebt, die Einrichtung seiner Wohnung deutete darauf hin, daß er ebenso wohlhabend wie wählerisch gewesen war. Darum hatte er auch nicht in einem Appartement gehaust. Es handelte sich vielmehr um eine normale Zweizimmerwohnung, die mit Druckerzeugnissen, alten Möbeln und Bildern angefüllt war, wobei eine leichte Unordnung herrschte: auf allen verfügbaren Tischen, auf einem Hocker, der jetzt umgestürzt lag, und auf dem Hängeboden im Vorraum waren Bücher und ganze Stöße von meist ausländischen Fachzeitschriften aufgehäuft. Diese Unordnung indes schien nichts anderes anzuzeigen, als daß der Hausherr viel und zu jeder Tageszeit gearbeitet, im übrigen aber seine Wohnung gepflegt und offenkundig sehr gemocht hatte. Inzwischen wurde die Harmonie im Wohnzimmer freilich beeinträchtigt durch eine herabgerissene Gardine und zu Boden gefallene Zeitschriften, doch schon im Arbeitszimmer war man kaum imstande, sich vorzustellen, daß der rechtmäßige Besitzer nicht jeden Augenblick hereinkommen und vor dem begonnenen Manuskript, an dem mächtigen Schreibtisch Platz nehmen würde. Und was für ein Schreibtisch! Er war gewiß gegen Ende des 19. Jahrhunderts für den Inhaber einer bedeutenden Firma gebaut worden; er wurde gekrönt von einer vornehmen filzgefütterten Schreibunterlage und einer schmucken marmornen Statue. Allein das Telefon war Produkt einer anderen, weniger ums Äußere bemühten Epoche.
„Die Haushälterin hat dir einen Kaffee gebrüht, und ich habe nicht widersprochen“, sagte Grzywiński. „Er wird dir guttun.“
„Danke. Wo ist denn die Haushälterin? Hatte sie die Miliz verständigt?“
„Ja. Sie sitzt in der Küche und flennt.“
„Hol sie her und klappre die Nachbarn ab. Wenn du jemanden antriffst, dann lade ihn höflich zu uns ein.“
Die Haushälterin war ungefähr sechzig, klein, rundlich, sie trug eine Brille. Sie trippelte durch das Wohnzimmer und schaute sich scheu nach dem Fenster um, an dem die Gardine fehlte. Ich saß an Jabczyńskis Schreibtisch, blätterte in Papieren und sah das Telefonverzeichnis durch.

Umschlagentwurf Barbara Müller
Übersetzt aus dem Polnischen von Felix Knirek

Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Reihe:
Blaulicht, Heft 211
1. Auflage 1981  

12 September 2024

Linda Teßmer: Das Alibi bin ich

Heftanfang:
„Brandstiftung?“ Peter Kürten starrt den Kriminalisten an, zu bestürzt, um weitere Worte zu finden. Seine Frau und der Sohn stehen dabei, ebenso betroffen und fassungslos.
„Eindeutig.“ Leutnant Koch nickt. „Beweis ist der Benzinkanister.“
„Aber wer?" Kürten kann sich nicht vorstellen, wer das getan haben könnte.
„Das Feuer muß in der Gaststube ausgebrochen sein. Gegen zweiundzwanzig Uhr.“ Koch wirft ihm einen teilnahmsvollen Blick zu. Der Gastwirt, sehr attraktiv mit lebhaften Augen und braunem Backenbart, besitzt eine große Ausstrahlung. Er sprüht vor Aktivität, geistig wie auch physisch. Er ist ein Mann, der sich durchsetzt.
Die Frau schüttelt ratlos den Kopf. Sie hat dunkle Schatten unter den Augen, Zeugen einer schlaflosen Nacht. „Ich begreife das alles nicht. Wer tut denn so was?“
Das fragt sich Koch auch. Es gibt einige Gründe dafür. Er erwägt einen davon. „Vielleicht ein Racheakt?“
Kürten zuckt die Achseln. „Jetzt, wo die Saison beginnt...“
Niedergeschlagen sucht er an der Hausbar Stärkung. Seine Hände flattern über Flaschen, bis er den Kognak findet.
Das großräumige Wohnzimmer macht einen imposanten Eindruck: Ledermöbel vor dem Kamin, wertvolles Prozellan darauf. Die Wirtschaft muß lukrativ gewesen sein, denkt Koch. „Das schöne Geschäft mit den Touristen vorbei.“ Auch Christian, der Sohn des Hauses, der in hautengen Jeans an der Tür lehnt, scheint nicht zu begreifen, daß das Gasthaus, das Lebenswerk seiner Eltern, nicht mehr existieren soll.
„Eine Vermutung, wer Ihrem Vater das Geschäft verderben wollte?“ Koch sieht den Jungen forschend an. „Nein.“ Christian schüttelt den Kopf.
„Ihre Gaststätte hatte gestern Ruhetag, Herr Kürten?“ Der Leutnant wendet sich wieder dem Hausherrn zu, der nickt, und Koch fährt fort. „Wo waren Sie gegen zweiundzwanzig Uhr?“ Kürten setzt irritiert das Glas ab. „Ich verstehe Ihre Frage nicht.“
„Nur Routine.“ Koch lächelt beschwichtigend.
„Sie wollen ein Alibi?“ Ellen Kürten ist so hilflos, daß jeden Augenblick Tränen auszubrechen drohen. Christian, der das erste Stadium des Schocks überwunden hat, kann der Mutter helfen. „Das Alibi bin ich.“
„Sie, Christian?“
„Wir haben ferngesehen. Meine Eltern und ich. Hier.“
Die nicken bestätigend.
„Sie waren den ganzen Abend zusammen?“
„Bis wir den Feuerschein sahen. Da sind wir gleich hin“, erklärt Christian.
Kurzes Schweigen. Koch sieht durch das Fenster auf das blaue, ruhige Wasser des Kellersees, auf dem ein Frachtdampfer eine schmutziggraue Rauchfahne dahinschleppt. „Herr Kürten, haben Sie Feinde?“
Da Kürten mit der Antwort zögert, meint Christian: „Wer sollte meinen Vater hassen? Ohne ihn wär's doch im Ort nicht so schnell aufwärtsgegangen.“
„Muß es denn uns persönlich gegolten haben?“ sagt Frau Kürten mit zitternder Stimme. Sie spielt darauf an, daß es in der Gegend mehrmals gebrannt hat. In den letzten Monaten dreimal. „Ich habe immer Wert darauf gelegt, daß meine Gäste zufriedengestellt werden.“ Der Kognak hilft. Kürten ist gefaßter. Er greift erneut zur Flasche. „Vielleicht war einer der Gäste doch nicht zufrieden“, gibt Koch zu bedenken.
„Aber deswegen gleich ... Soll das ein Witz sein?“
„Sie sind natürlich ausreichend versichert?“
„Und die ideellen Verluste?“ Kürten schnauft. „Ich habe zwanzig Jahre gebraucht, um aus dem, ‚seeschlösschen’ das zu machen, was es ist war...“
„Wir“, korrigiert die Frau, „wir haben zwanzig Jahre gebraucht.“ „Entschuldige. Natürlich wir.“ Leicht gereizt nimmt er es hin.
„Als ob das jetzt noch wichtig ist.“ Koch horcht auf.
„Alles verkohlt. Vorbei. Und meine Stammgäste amüsieren sich woanders.“ Der vierte Kognak fegt Kürtens bedrückte Stimmung weg. Er macht jetzt den Eindruck eines Mannes, der den Schaden verkraften wird.
Koch hat solchen Stimmungswechsel oft erlebt. „Ist das alles, woran Sie jetzt denken können?“
„Und woran denken Sie, Leutnant Koch? Sie ermitteln doch schon in drei anderen Fällen ohne Erfolg. Beziehungsweise, als Sie den Täter endlich hatten, konnten Sie ihn nicht verhaften. Er war...“
„Das wär's dann“, sagt Koch lächelnd, aber bestimmt. Kürten begleitet ihn hinaus. Ellen starrt noch auf die Tür, als draußen der Wagen anläuft, während Christian die Abfahrt des Kriminalisten vom Fenster aus beobachtet.

Umschlagentwurf: Günther Lück

Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Reihe: Blaulicht, Heft 200
1. Auflage 1980 
 

Richard Christ: Um die halbe Erde in hundert Tagen – Reisegeschichten

Klappentext:
Nicht nur Geschichten erzählen ist eine Kunst, Geschichten erleben nicht minder. Richard Christ besitzt sie und zugleich den Blick für Wesentliches, die Fähigkeit, Besonderes aufzuspüren, Details wahrzunehmen. „Geschichten sind überhaupt das Wichtigste“, sagt er und er zählt, was er während der hundert Tage seines Aufenthaltes in den großen, weiten und verschiedenartigsten Gebieten der Sowjetunion erlebte: Von der sibirischen Methode, mit Poeten umzugehen Vom Bauernjungen Alexander Wassiljewitsch, der in Stalingrad kämpfte und heute ein Professor ist – Von allerlei Tieren: Tigern, die an Herzinfarkt sterben, Fadenwürmern und einer illegalen Forelle – Von einem Museum mit tausendsiebenhundertsechsundachtzig Türen, tausendneunhundertfünfundvierzig Fenstern und zweieinhalb Millionen Ausstellungsstücken – Von einem Dorf ohne Menschen, in dem Tag für Tag die Glocken läuten – Vom Schlosser Kusnezow und seiner Familie – Von Teetrinker-Gesprächen und Tee-Erinnerungen – Von einem Ukrainer, der ein Sibirier wurde – Von einem Buch, das georgische Väter ihren Töchtern zur Hochzeit schenken – Von einem Marschall, der siebzig Jahre alten Kognak wegkippte – Vom Leipziger Messegold am Ararat – Von einem Abendessen mit Lehrerinnen und Ringern – Von Kolja, der als erster Journalist über die BAM schrieb – Von den Roten Adlern von Sardarabad – Von einer hundertjährigen Armenierin – Vom Reisen, das auch traurig macht – Und immer wieder von der Kraft und dem Mut sowjetischer Menschen. Und immer wieder von ihrer Gastfreundschaft, vom Essen und Trinken: Denn heilig ist der Gast, aber essen und trinken muß er.

Inhalt:
Vorgeschichte oder Die eiligen Inder ...... 7
Kaukasus
Die Besteigung des Berges Achun ...... 13
An beiden Ufern der Kura ...... 34
Sechs armenische Geschichten, nebst sechs Geschichten vom Kognak ...... 69
Baku und die wunderreiche Halbinsel Apscheron ...... 123
Mittelasien
Silberhochzeit, goldene Hochzeit ...... 141
Timurs Hauptstadt ...... 154
In den Moscheen von Buchara ...... 166
Basare, Basare ...... 173
Weißes Gold ...... 181
Taschkent, die trostreiche Stadt ...... 195
Frauen ohne Schleier ...... 209
Der verschwundene See ...... 222
Zwischen Ostsee und Ukraine
Die Mutter der Städte ...... 231
Deduschka Talaschs Enkel ...... 238
Die Reise nach Tallinn ...... 262
Kein Venedig des Nordens ...... 275
Die Hauptstadt
Moskau für Anfänger in fünfzehn Lektionen ...... 293
Die sechzehnte Lektion ...... 312
Wolga
In Lenins Heimat ...... 323
Splitter aus Stalingrad, Splitter aus Wolgograd ...... 331
Ferner Osten
Zwischen Sonne und Mond ...... 359
Tiger, mit bloßen Händen gefangen ...... 367
Taigafahrt ...... 384
Sibirien
Irkutsk zu allen vier Jahreszeiten ...... 409
... vor einen, der in der Freyheit ...... 419
Auf hundertstel Millimeter genau ...... 426
Von der Freude am Leben ...... 431
Tee und Literatur östlich des Urals ...... 440
Befragte Frager ...... 446
Herrlicher Baikal, vereist ...... 453
Vier Sonnen an der Angara ...... 465
Frühling in Sibirien ...... 492

Nachbemerkung ...... 507

Schutzumachlagentwurf Heinz Hellmis
unter Verwendung eines Ausschnitts aus einer Abbildung von Victor Vasarely


Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1976
2. Auflage 1977
3. Auflage 1979
4. Auflage 1981
5. Auflage 1984
6. Auflage 1986
7. Auflage 1987

Auch erschienen im
Buchclub 65
Berechtigte Ausgabe 1979

11 September 2024

Theo Harych: Bärbels und Lothars schönster Tag

Vorwort:
Liebe Jungen und Mädchen!
Anläßlich des Internationalen Kindertages am 1. Juni 1952 überreicht Euch der Bundesvorstand des FDGB dieses Kinderbuch als Geschenk. Dieses Buch soll in Euch viele schöne Erlebnisse und fröhliche Stunden aus dem Pionier- oder Betriebsferienlager wachrufen. Beim Lesen werdet Ihr Euch vorstellen, wie schön es in diesem Jahr in den Ferienlagern wird.
Gemeinsam mit den Jungen und Mädchen eines Ferienlagers, das die Werktätigen eines Betriebes für ihre Kinder aufgebaut haben, verlebte der Schriftsteller Theo Harych vier Wochen, von denen er in diesem Buch berichtet.
Wir danken allen Werktätigen, die durch ihre fleißige Arbeit Euch so frohe Ferientage ermöglichten und danken besonders der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, deren ganze Sorge den Kindern gilt und die Euch mit der 3. Anordnung zur Durchführung des Jugendgesetzes schöne Ferientage schenkte.
Ebenso wie die Kinder in der Sowjetunion und in den Volksdemokratien verlebt Ihr in der Deutschen Demokratischen Republik glückliche Ferientage, könnt lernen und fröhlich sein. Im Westen unserer Heimat kommt das von den Werktätigen erarbeitete Geld nicht den Kindern zugute, sondern wird für Kriegsvorbereitungen verwandt.
Die Organisation der Werktätigen, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, unterstützt sehr stark dieses Gesetz unserer Regierung, das dem Wohle der Kinder dient.
Wir wissen, daß Ihr die Facharbeiter, Wissenschaftler und Künstler, die Aktivisten und Helden der Arbeit von morgen seid. Wir werden Euch auch weiterhin helfen, auf allen Gebieten Eure Fähigkeiten zu entfalten.
Dieses Buch soll Euch Ansporn sein, in der Schule noch besser zu lernen und mit den Jungen Pionieren an einem fröhlichen Jugendleben teilzunehmen. Denn durch Euer gutes Lernen helft Ihr mit, daß bald alle Kinder der Welt in eine frohe Zukunft blicken können.
Wir wünschen Euch viel Freude beim Lesen dieses Buches und einen recht schönen Ferienaufenthalt.

Bundesvorstand
des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes


Buchanfang:
Zwei kleine Holzsammler
Der achtjährige Junge tauchte zuerst zwischen den dichten Bäumen auf. Pustend und stöhnend zog er einen Handwagen, der schon zur Hälfte mit trockenem Holz beladen war. Hinten schob tiefgebückt ein etwas jüngeres Mädchen. Ihre blonden Haare kräuselten sich über der Stirn, und zwei lange Zöpfe pendelten über der Brust hin und her. Plötzlich gab sie dem Wagen einen Stoß und blieb stehen. „Ich kann nicht mehr, Dieter“, rief sie und blies die erhitzten Wangen auf. „Nun mach doch schon, Bärbel! Wir sind ja gleich auf der Straße. Dann geht's bestimmt viel leichter“, rief Dieter. Aber Bärbel warf die lästigen Zöpfe trotzig nach hinten und schüttelte den Kopf. „Nein, ich will mich erst ausruhen.“
„Dann zieh' ich allein weiter!“
„Schaffst es doch nicht, bist ja viel zu schlapp, du Angeber.“ So neckte ihn Bärbel. Dieter zog den Rock aus, warf ihn auf den Wagen und zeigte ihr seine runden Arme. „Haa, raufsetzen kannst du dich, dann schaff' ich's immer noch“, prahlte Dieter.
„Au fein“, rief Bärbel lachend und kletterte flink auf den Wagen. Dieter spuckte nach Männerart in die Hände und zog an. Aber bald keuchte er, und auf der steilen Auffahrt zur Straße blieb der Wagen sogar ganz stehen.
„Kannst wohl nicht mehr?“ fragte Bärbel spottend und verzog geringschätzig den Mund.
„Sei still, du“, herrschte Dieter sie böse an.
„Soll ich dir etwa helfen?“
„Bleib doch sitzen, ich brauche deine Hilfe nicht.“ Dieter wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn, holte tief Atem und zog an. Doch nach drei Schritt war es wieder aus.
Auf der Straße stand ein blasser Junge zwischen Bündeln und Taschen neben seinen Eltern. Die Frau nickte müde und ließ sich erschöpft in das Gras am Straßenrand niederfallen. Der Mann warf den schweren Rucksack von den Schultern und sagte: „Komm, Lothar, setz dich drauf, denn die Erde ist noch kalt, und dein Husten darf nicht schlimmer werden.“ Lothar benetzte mit der Zunge die aufgesprungenen Lippen. „Hast du noch etwas Brot im Bündel?“ fragte der Mann. Als die Frau nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: „Nicht für mich, aber Lothar müßte sich ein bißchen stärken. Der Junge geht uns noch zugrunde, wenn das so weitergeht.“
Die Mutter kramte in ihrem Bündel und reichte schließlich dem Knaben eine Bierflasche: „Da, mein Kind, etwas Kaffee habe ich noch drin. Stärke dich ein bissel. Im nächsten Dorf werden wir vielleicht etwas zu essen bekommen“, tröstete sie. Lothar setzte die Flasche an die Lippen. Aber er trank nicht, sondern blickte mit großen Augen zu Bärbel und Dieter hin. Plötzlich streckte er den Arm aus: „Da, Mutter, hörst du, da spielen Kinder!“
Lothar freute sich über den lustigen Streit der beiden. Am meisten interessierte er sich aber für das Mädchen; denn er sah es unentwegt an. Jetzt sprang er auf. Schwarze Kreise tanzten vor seinen Augen. Aber er überwand die Schwäche und lief zum Wagen.
Bärbel wollte gerade absteigen, um Dieter zu helfen. Lothar sagte hilfsbereit: „Bleib sitzen, ich mach' das schon.“ Bärbel blickte den blassen Knaben mitleidig an. „Du?“
„Ja“, redete Lothar, „ich bin gar nicht so schwach, wie du glaubst!“ Bärbel schüttelte den Kopf: „Nein, aber bestimmt bist du krank.“ Dieter hatte die Deichsel losgelassen und kam, sich in den Hüften wiegend, angestampft: „Setz dich auch mit rauf, ich ziehe euch beide“, prahlte er wieder. Bärbel sprang vom Wagen herunter und sagte ärgerlich: „Du Angeber!“ Dann wandte sie sich an den Jungen, gab ihm die Hand und fragte: „Wie heißt du?“ „Lothar Wilde.“
„Und wo wohnst du?“ Lothar deutete zu seinen Eltern hinüber. „Ach, ihr seid Flüchtlinge?“ Lothar nickte. „Wo wollt ihr denn hin?“ Lothar hob die Schultern und sagte traurig: „Das wissen wir ja nicht.“
„Aber ihr könnt doch nicht immer draußen leben, ihr müßt doch wieder eine Wohnung haben“, meinte Bärbel.
„Ja“, erwiderte Lothar, wenn mein Vati wieder Arbeit hat, dann bekommen wir auch eine schöne Wohnung. Und Möbel kaufen wir uns dann auch, hat meine Mutti gesagt. Ja, und in die Schule will ich dann auch wieder gehen.“ Bärbel gab ihm die Hand: „Ich heiße Bärbel Fröhlich."
„Was hat denn dein Vater gearbeitet?“ mischte sich Dieter ein.
„Er war Baggerführer“, sagte Lothar.
„Genau wie mein Papa“, rief Bärbel überrascht.
Vater Wilde hatte die Unterhaltung kaum beachtet. Jetzt hörte er aber aufmerksam hin. “Wo wohnst du?“ fragte Lothar. Bärbel zeigte in den Wald hinein: “Dort .....“

Schutzumschlag, Einband und Illustrationen: Hilde Köppen, Berlin

Verlag Neues Leben, Berlin
1. Auflage 1952  

09 September 2024

Kolma Maier-Puschi: Saalefahrt

Buchanfang:
Anfang der Vorrede
Peggi Schäfer ist ein Mädchen von dreizehn Jahren. Sie geht in die 7. Klasse der 2. Grundschule von Blumenthal.
Ich kenne sie schon lange, und sie besucht mich manchmal. Ich wohne nicht weitab von ihr, wir sind sozusagen Nachbarn.
Diese Peggi nun machte in den letzten großen Ferien mit acht Kameraden, Pionieren und FDJlern, eine Wanderung an der Saale entlang, von der bayrischen Grenze quer durch Thüringen bis nach Naumburg. Als sie im September wieder zu Hause war, erzählte sie mir die Abenteuer, die ihre Gruppe erlebt hatte, und gab mir das Fahrtentagebuch, das sie unterwegs geführt hatten.
„Mach ein Buch daraus, Kolma“, sagte sie. „Ich glaube, es wird alle Kinder interessieren.“
Ich hatte gerade andere Sachen zu tun und keine rechte Lust dazu, aber Peggi ließ mir keine Ruhe.
„Unsere Jungen Pioniere gehen viel zuwenig auf Fahrt“, sagte sie, „das muß anders werden. Es gibt nichts Schöneres als solch eine Fahrt, aber sie wissen es nicht. Wir haben es in diesem Sommer erlebt, und wenn du alles so beschreibst, wie es war, dann bin ich sicher, daß jedes Kind Lust bekommen wird, loszuziehen und unser Land zu durchwandern.“
Ich war nicht ganz überzeugt von ihren Worten. Ein Buch lesen ist eines, und auf Fahrt gehen ist ein anderes, und ob jemand, weil er ein Buch gelesen hat, das von einer Fahrt berichtet, nun auch wirklich auf Fahrt geht, weiß ich nicht.
Aber als ich dann das Tagebuch der Saalefahrt las und mir noch einmal überlegte, was Peggi erzählt hatte, da bekam ich doch Lust, darüber zu schreiben.
Also jetzt geht's los, und es beginnt mit Jumbo Zierke.

Inhalt:
Anfang der Vorrede ...... 5
Jumbo besorgt Platz auf der Leuchtenburg ...... 6
Heute noch wandern? ...... 7
Oben der Sputnik - unten zu Fuß? ...... 11
Schluß der Vorrede ...... 27
Tagebuch der Saalefahrt ...... 30
Von Peggi aber fand ich nichts im Tagebuch ...... 60
Fortsetzung des Tagebuchs ...... 65
Konsequenzen auf der Leuchtenburg ...... 115

Illustrationen Werner Kulle

Für Leser von 12 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1958
2. Auflage 1959
3. Auflage 1960
4. Auflage 1962
5. Auflage 1964

Vilmos Korn: Das Nikolastürmchen

Buchanfang:
Das Nikolastürmchen
Hoch über der Elbe, gegenüber der alten Raubritterburg, auf dem Helfenberge, stand ein dickes Türmchen, mit zwei kreisrunden Fenstern: das eine nach Sonnenaufgang, das andere nach Sonnenuntergang.
In diesem Türmchen wohnte ein alter Maler. Die Stiefmütterchen, den roten Mohn, den Rittersporn und viele andere Blumen: niemand konnte sie anmutiger malen als der Meister Andreas. Doch nicht nur Blumen liebte er, auch Bäume und Tiere, vor allem aber die Kinder.
Die eigenen waren schon groß und waren weit fortgezogen, mitsamt den Enkelchen. Die einen nach Sonnenaufgang, in das Land, das hinter den Bergen lag. Die anderen nach Sonnenuntergang, in eine große Stadt.
So war der Meister Andreas allein.
Des Morgens früh ging er ans Fenster, sah hinaus zum hohen Schneeberg, hinter dem die Sonne aufging, und sagte: „Der Tag wird schön! Na wie wär's denn, Enkelchen?“
Aber niemand hörte ihn.
Des Abends stand er am anderen Fenster, sah den Fluß hinab und sagte: „Der Abend ist schön! Ich könnte eine Geschichte erzählen.“
Doch kein Enkelchen kam.
Aber es kamen fremde Kinder und besuchten den Meister Andreas.
Gleich hinter dem Türmchen lag ein Garten, nicht zu groß und nicht zu klein. Zeitiger als andernorts blühten die Schneeglöckchen, die Krokusblumen und der Ostergruß. Eine schlanke Birke hing ihr Gezweig über die Mauer. An jedem Ersten Mai wehte sie mit bunten Bändern über die Kinder hin, die zum Fest ins Dorf hinabzogen.
Die schönsten Erdbeeren reiften in dem Garten, und die ersten bekamen die Kinder. Dann wurden die Beeren an den Sträuchern süß, die gelben Kornäpfel und die Frühbirnen reiften, und die Nüsse wurden geschlagen.
Ein Baum aber stand im Garten, von dem durften sie nicht schmausen. Die roten Äpfel dieses Baumes reiften erst im Oktober. Auch heimlich nahm keines der Kinder von ihnen, denn mit diesen Äpfeln hatte es seine besondere Bewandtnis.
Eines Wintertags, als alle Dorfhäuser dicke Schneekappen trugen, tat Meister Andreas wieder einmal die Talgschaukel ins Vogelhaus und hing es vor dem Ostfenster auf, denn der Wind kam vom Westen.
Es dauerte nicht lange, da flogen zwei kohlschwarzköpfige, gelbgefiederte Meisen herzu. Meister Andreas kannte sie schon vom Sommer her, sie hießen Zwitscherin und Zwitscherinchen.
Kaum hatten sie das Vogelhaus erblickt, so waren sie auch schon darin. Zuerst schnabulierten sie am Korntröglein, dann aber turnten sie behende an der Talgschaukel und pickten dort so lange, bis sie satt waren.
Meister Andreas hob den Finger und fragte: „Ei, Zwitscherin und Zwitscherinchen, wie ist das heute mit kleinem Besuch?“
Zuerst legte Zwitscherinchen den Kopf nach links, dann legte Zwitscherin den Kopf nach rechts, und dann riefen beide zugleich: „Zwieied! Zwieied!“"
„Aha“, sagte Meister Andreas, „ich verstehe, es kommen zwei.“
Er blickte durch das runde Fenster auf die Bergstraße. .....

Illustrationen und Umschlagentwurf von Dagmar Elsner

Für Leser von 8 Jahren an

Gebrüder Knabe Verlag, Weimar
Reihe:
Knabes Jugendbücherei

1. Auflage 1964
2. Auflage 1965

Auch erschienen im
Kinderbuchverag, Berlin
Illustrationen von Hildegard Peschel-Haller
Hlw., 125 S.
1. Auflage 1956

06 September 2024

Hubert Gerlach: Der Fledderer

Klappentext:
Lektor Postel nennt es eine Story für Verrückte, was Hans Gaiser als Kriminalschriftsteller gerade produziert. Aber auch in Realität stehen „die Schaufensterpuppen nackt und bleich mit den Mienen enttäuschter Lottospieler vor dem herabgerissenen Vorhang, und das Ganze sieht fast aus wie der schüchterne Versuch einer Porno-Show, der die Männer im letzten Augenblick ferngeblieben sind ...“ Der verdächtigte junge Mann H. G. sitzt zu Beginn in Untersuchungshaft, am Schluß wird eine Täterin genannt. Gleichwohl ist das kein Kriminalroman der gewohnten Machart. Indem der „Fledderer“ einem Erpresser auf den Fersen bleibt und eine Geschichte schreibt, beginnt er sich aus seiner sozialen und individuellen Verklemmung zu lösen. Der Leser möge prüfen, wie „verrückt“ dieser ironische, hintergründig-skurrile Roman ist, der von komplizierten menschlichen Verhaltensweisen im Hier und Heute erzählt.

Schutzumschlag und Einband: Werner Haferkorn
Mit 7 Illustrationen vom Autor

Greifenverlag zu Rudolstadt

1. Auflage 1977
2. Auflage 1978

Im gleichen Verlag auch erschienen in der Reihe:
Greifen-Kriminal-Roman
„Der Joker; Der Fledderer“
1. Auflage 1980
2. Auflage 1984