30 November 2024

Gernot Wolfgruber: Herrenjahre

Klappentext:
Daß Lehrjahre keine Herrenjahre sind, hat man Bruno Melzer schon während seiner Tischlerlehre eingebleut. Aber danach, da wird er es „denen da oben“ schon zeigen, da wird das Leben so richtig losgehen; und er hat auch schon konkrete Begriffe dafür: Geld, Frauen, ferne Länder. Doch dieses erhoffte Leben versandet, noch ehe es sich realisieren kann, bleibt – vergängliche – Utopie. Jeder Versuch, aus den erstarrten Denk- und Daseinsformen seiner Umwelt auszubrechen, scheint ihn stärker an diese zu binden. Das ist so in der Ehe mit Maria, einer durch Gleichmaß zermürbenden und aufreibenden Ehe, die andererseits aber in Melzer so etwas wie Verantwortung aufkommen läßt, wie in seinem Beruf, dessen Gleichförmigkeit ihn erstickt. Am Beispiel eines individuellen Lebenslaufes wird vor allem ein gesellschaftliches Dilemma deutlich, das Gernot Wolfgrubers Sprache mit großer Genauigkeit wiedergibt.

Gernot Wolfgruber, 1944 in Gmünd. Niederösterreich, geboren. Nach Hauptschule Lehrling und Hilfsarbeiter in verschiedenen Berufen, danach Studium der Publizistik und Politologie in Wien. Seit vier Jahren freier Schriftsteller. 1975 erschien sein erster Roman. „Auf freiem Fuß“ (NL-Podium 1978).

Buchanfang:
Melzer wußte selber nicht, woher er das hatte, er dachte auch nicht darüber nach, es schien ihm viel zu einleuchtend, war ihm etwas wie eine Lebensweisheit: daß es für jeden einen Zug gäbe, jeder seinen Zug habe, und worauf es ankomme, sei nur, rechtzeitig einzusteigen, ihn nicht zu verpassen, dann gehe es schon voran, dann ergäbe sich alles von selbst, weil es liege ohnedies alles am Zug, den man erwischt habe. Wie sein Zug aussehen würde, in den er würde einsteigen müssen, wußte Melzer nicht. Nur manchmal, wenn er aus dem Kino kam, hatte er das Gefühl, es sei ohnedies alles ganz klar.
Als die ersten seiner Freunde und ehemaligen Schulfreunde anfingen, gesetzter zu werden, zu heiraten, Kinder zu haben, auf den damals noch billigen Baugründen am Stadtrand in Richtung E. Häuser zu bauen, war er noch ganz sicher, daß er das alles anders machen, daß es mit ihm ganz anders laufen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, daß man alles so leicht aufgeben kann, meinte, im Grunde seien das alles nur Kleinrentner, die eigentlich schon Schluß gemacht hätten. Er hat einen nach dem anderen von denen abgeschrieben, die plötzlich an den Freitag- und Samstagabenden zu Hause blieben und nicht mehr ins Espresso Zankl oder in eins der Wirtshäuser kamen und die er statt dessen an Sonntagen traf, wenn sie mit Frau und Kind ihren Stadtspaziergang machten.
Daß sich sein Lebenslauf, den er vor der Gesellenprüfung hatte schreiben müssen, nur durch die besonderen Zahlen seiner Daten von den Lebensläufen der Mitschüler in der Berufsschule unterschied, hat für ihn noch lange nicht bedeutet, daß das auch weiterhin so sein würde.
Er war in der Volksschule Durchschnitt gewesen und in der Hauptschule, hatte in keinem einzigen Fach unter den anderen hervorgestochen, seine Versetzung in die nächste Klasse war nie ernstlich gefährdet gewesen; manchmal war er guter Durchschnitt gewesen, manchmal schlechter, aber immer Durchschnitt. Und seine Lehrzeit war auch eine gewöhnliche Lehrzeit gewesen. Eine Zeit, die ........

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Residenz Verlages, Salzburg
Schutzumschlag: Peter Plattner
Einband: Eberhard Binder-Staßfurt

Verlag Neues Leben, Berlin
Reihe:
NL podium
1. Auflage 1979 

29 November 2024

Christa Prowatke (Hrsg.): In'n Wind gahn – Niederdeutsche Lyrik und Prosa der Gegenwart

Klappentext:
Seit mehr als tausend Jahren stehen sich das Hochdeutsche und das Niederdeutsche gegenüber, und – sieht man einmal von der Zeit der mittelniederdeutschen Literatursprache ab – in dieser langen Zeit hat das Hochdeutsche unter ständig wechselnden Kommunikationsbedingungen und daher auch mit wechselnder Intensität auf das Niederdeutsche eingewirkt... heute, nach mehr als tausendjähriger Auseinandersetzung mit dem Hochdeutschen hat das Niederdeutsche in der DDR eine neue Qualität erhalten. Es existiert nicht mehr als eigene Sprache, die dem Hochdeutschen gegenübersteht, sondern das Niederdeutsche ist im Norden unserer Republik in das Gesamtsystem des Deutschen integriert. Das entsprechende gilt für die gegenwärtige niederdeutsche Literatur der DDR. Einerseits führt diese Literatur die Traditionen der Volkskultur und der realistischen niederdeutschen Dichtung der Vergangenheit fort. Andererseits ist sie in die sozialistische Nationalkultur der DDR integriert, leistet wie sie einen Beitrag beim Formen der sozialistischen Persönlichkeit, ihres Intellekts, ihres Charakters und ihres Gefühlsreichtums und weckt das Heimatbewußtsein.
Erforschung, Erhaltung und Weiterentwicklung der Überlieferungen des Niederdeutschen und seines heutigen Anteils in unserem gesellschaftlichen Leben sind daher mit Recht das Ziel zahlloser Aktivitäten in der Bevölkerung, zugleich aber auch das Ziel des von den Räten der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg 1978 gegründeten „Mecklenburgischen Folklorezentrums“, denn – so heißt es in dem Gründungsbeschluß dieses Zentrums – „das Niederdeutsche, seine sprachlichen, literarischen und kulturellen Traditionen stellen ein notwendiges Glied unserer Nationalkultur und der ethnischen Besonderheiten der sozialistischen Nation der DDR dar“. (Hans Joachim Gernentz in „Niederdeutsch gestern und heute“. Beiträge zur Sprachsituation in den Nordbezirken der Deutschen Demokratischen Republik in Geschichte und Gegenwart. Rostock 1980)

Buchanfang:

De nich kennt, wat vergahn is,
kann nich begriepen,
wat nu is;
de nich begrippt wat is,
kann nich weiten,
wat ward.


Frontispiz und Einbandgestaltung: Werner Schinko

Hinstorff Verlag, Rostock
Reihe:
Hinstorff Bökerie ; Bd. 21
1. Auflage 1987  

27 November 2024

Heinz Reusch, Kurt Pfeifer, Kurt Rabe: Tauchfahrt zum Roten Meer

Einleitung
Dieses Buch ist der Bericht über eine im Sommer 1959 unternommene Tauchfahrt in tropische Gewässer. Kameraleute der DEFA und Taucher schildern darin ihre Expeditionserlebnisse an Bord der „Meteor“ und ihre Eindrücke, die sie in der farbenprächtigen Unterwasserwelt des Roten Meeres gewinnen. Sie entdecken dort wie vor ihnen Hans Hass und andere Sporttaucher eine fremde Welt mit eigenen Dimensionen. Sie bewegen sich zwischen bizarren Korallenriffen und gleiten auf Unterwasserschlitten über märchenhaft bunten Korallenwäldern hin. Riesige Fischschwärme ziehen vor ihren Augen vorüber; sie treffen auf gefräßige Muränen, auf Schildkröten, Rotfeuerfische und Haie. Und nach ihren mitunter nicht ungefährlichen Tauchunternehmungen haben sie Gelegenheit, sich mit den einheimischen Fischern vom Roten Meer, mit Hafenarbeitern und Händlern zu unterhalten. Vielfältig sind die Begegnungen der drei Autoren, die auf dieser Fahrt keine rein wissenschaftlichen Ziele verfolgen, sondern in erster Linie als Kameraleute und Taucher arbeiten: Im Auftrage des DEFA-Studios für Wochenschau und Dokumentarfilme drehen sie einen Streifen, der dem in unserer Republik sehr verbreiteten und geförderten Sporttauchen neue begeisterte Freunde gewinnen wird. Und dazu wird sicher auch dieses Buch beitragen, dessen Text von Heinz Reusch stammt, während Dr. Kurt Pfeifer und Kurt Rabe für den Bildteil verantwortlich zeichnen.
Bei ihren Arbeiten probieren die Taucher neue Apparate aus, die speziell für das „autonome“ Tauchen und für Unterwasseraufnahmen konstruiert wurden, und Geräte, die für den Einsatz in der Seefischerei gedacht sind. Im Vordergrund stehen für sie praktische Arbeiten, daneben sammeln sie Erfahrungen auf physiologisch-medizinischem Gebiet beim Tauchen in größeren Tiefen und tragen damit zur Lösung dieser bisher noch recht wenig erforschten Probleme bei.
Die Tauchunternehmungen sind aber nicht das Hauptanliegen der Expedition. Die „Meteor“, das Prüf- und Forschungsschiff des Deutschen Amtes für Material- und Warenprüfung, hat für diese Fahrt andere wichtige Aufgaben gestellt bekommen. So sollen Fachleute die verschiedenartigsten Exportgüter aus Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik und ihre Verpackung daraufhin prüfen, wie sie sich unter tropischen und subtropischen Bedingungen verhalten, welchen Einflüssen und Belastungen – insbesondere klimatologischer Art – sie auf dem Seetransport ausgesetzt sind.
Schließlich beteiligt sich an der Expedition noch eine Gruppe von Wissenschaftlern des Geophysikalischen Observatoriums Niemegk, die unterwegs erdmagnetische Messungen vornimmt.
Als die „Meteor“ im Herbst 1959 wieder Kurs auf die Heimat hält, können die Teilnehmer der Fahrt, die Wissenschaftler und Fachleute, mit Genugtuung feststellen, daß sie die verschiedenartigen Aufgaben erfolgreich gelöst haben.

Mit 12 Farb- und 48 Schwarz-Weiß-Tafeln
Einbandgestaltung: Günther Junge

VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig
1. Auflage 1962
2. unveränd. Auflage 1964

Der Zaubergarten – Kasachische Volksmärchen

Buchanfang:
Der Gute und der Böse

Es begab sich einst der Böse zu Fuß auf eine lange Reise. Er wanderte einen Tag, er wanderte zwei Tage, und am dritten Tag war er so müde, daß ihn die Beine kaum mehr tragen wollten.
Der Gute, der auf einem Pferd ritt, holte ihn auf dem Weg ein. Sie kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, daß beide das gleiche Reiseziel hatten.
„Laß mich mit auf dein Pferd“, bat der Böse, „ich bin sehr müde.“
„Wir wären dem Pferd zu schwer“, antwortete der Gute. „Machen wir es lieber so: setze dich auf meinen Platz, reite allein voraus, dort bei diesem Baum lasse das Pferd stehen und gehe zu Fuß weiter. Ich laufe zum Baum, setze mich aufs Pferd und hole dich ein. So werden wir uns auf dem Pferd ablösen und nur den halben Weg zu Fuß gehen müssen.“
Der Böse setzte sich aufs Pferd und galoppierte davon. Der Gute folgte ihm zu Fuß.
Er kam zum Baum, aber vom Pferd fehlte jede Spur! Der Böse hatte ihn betrogen und sich mit dem Pferd aus dem Staub gemacht.
Der Gute wanderte weiter und gelangte in einen dichten Wald. Dort stand eine Hütte. Er entschloß sich, hier auszuruhen.
Die Hütte war leer, nur in einem riesigen Kessel kochte Fleisch. Der Gute murmelte verwundert:
„Nirgends der Hausherr, aber das Mittagessen kocht. Seltsam!“
Der Gute kostete das Gericht, kletterte dann auf das Dach der Hütte, um zu schlafen. Gerade wollte er die Augen schließen, als ein Wolf, ein Fuchs und ein Löwe die Hütte betraten.
 „Eijcijei!“ rief der Fuchs erschrocken, „jemand hat unser Mittagessen gekostet!“
„Niemand hat es gekostet“, beruhigte ihn der Löwe.
Die Tiere setzten sich rund um den Kessel und erzählten einander, wie sie den Tag verbracht hatten.
Der Fuchs sagte:
 „In einem verlassenen Winterlager habe ich einen Schatz gefunden. Ein Topf voll Gold ist dort in der Erde vergraben. Wir werden ihn bewachen müssen.“
Der Wolf sagte:
„Die schöne Tochter eines Bajs ist erkrankt. Der Vater versprach, wer sie heilt, bekommt sie zur Frau. Ich kenne das Heilmittel. In der Herde des Bajs ist ein scheckiges Schaf. Man muß mit seinem Herzen den Körper des Mädchens einreiben. Dann wird es gesund. Daher habe ich heute das scheckige Schaf bewacht.“
Danach erzählte der Löwe:
„Jede Nacht hole ich mir ein Pferd aus der Herde des Bajs. Doch dieser weiß nichts von mir. Er will die ganze Herde dem geben, der den Dieb faßt. Ich habe keine Angst, denn kein Pferd kann mich einholen. Nur ein kleines rostbraunes Fohlen ist in der Herde, das allein ist schneller als ich.“
Die Tiere aßen sich satt und gingen schlafen. Am frühen Morgen verließen sie die Hütte, und kurz danach machte sich auch der Gute auf den Weg. Als Quacksalber verkleidet, ging er zum Baj und sagte:
„Ich kann deine Tochter heilen!“
Da freute sich der Baj sehr und lud ihn in seine Jurte ein.
Der Gute befahl, das scheckige Schaf zu schlachten und ihm sein Herz zu bringen. Er rieb damit den Körper des Mädchens ein, und es wurde gesund. Er heiratete sie und bald darauf machte er sich auf, das verlassene Winterlager zu suchen, von dem der Fuchs gesprochen hatte. Ungestört grub er den Topf voll Gold aus. Schließlich ging er zum Baj, von welchem der Löwe gesprochen hatte.
„Wie viele Pferde gibst du mir, wenn ich den Dieb fange, der dir jede Nacht ein Pferd stiehlt?“ fragte der Gute.
„Eine ganze Herde“, versprach der Baj.
Der Gute ging zur Herde, sattelte das kleine rostbraune Fohlen und wartete in einem Versteck auf den Löwen. Der Löwe stahl sich nachts an die Herde heran, erbeutete ein Pferd und lief in die Steppe.
Der Gute jagte ihm auf dem Fohlen nach, holte ihn ein und tötete ihn. ......

Inhalt:
    7 .......... Der Gute und der Böse
  11 .......... Die schöne Kunkej
  22 .......... Der Zaubergarten
  31 .......... Nauscha und Silybaj
  38 .......... Großväterchen Kanbak
  43 .......... Die drei Schwestern
  60 .......... Der junge Held und die Hexe
  66 .......... Der goldhaarige Totambaj
  70 .......... Der unsichtbare Dieb
  80 .......... Der Weisheitsverkäufer
  83 .......... Der Jüngling und die Wölfin
  94 .......... Der Wundervogel
106 .......... Drei Brüder und die wunderschöne Ajslu
113 .......... Kadyrs Glück
120 .......... Der Reiche und der Arme
132 .......... Akbaj
142 .......... Die vierzig Söhne des Kahns Auez
148 .......... Eine Braut und drei Werber
157 .......... Batyr Abat
169 .......... Warum der Mensch und die Schwalbe Freunde sind
173 .......... Der Fuchs, der Bär und der Schäfer
178 .......... Der mutige Esel
183 .......... Der Fuchs und der Affe
187 .......... Der Bär und die Stechmücke
191 .......... Der arme Ahmed und die ungerechten Berater des Khans
194 .......... Der kluge Ajaz
216 .......... Der Schelm Aldar-Kose
226 .......... Dschirensche, der Schelm
233 .......... Wie Aldar-Kose Dschirensche übertrumpfte
236 .......... Schlußwort
238 .......... Erläuterungen

Ausgewählt von Helena Križanová-Brindzová
Illustrationen von Kamila Štanclová
Übersetzt von Eliška Jelínková

Mladé Letá, Bratislava
1. Auflage 1988  

Renate Feyl: Idylle mit Professor

Klappentext:
An der Seite ihres berühmten Mannes kämpft sie um ihre Selbstbehauptung: Luise Adelgunde Victoria Gottsched (1713 bis 1762): Sie will unabhängig sein, trotz Familie und Beruf. Es genügt ihr nicht, Gehilfin ihres Mannes zu bleiben. Sie erprobt ihre Talente und findet als Lustspieldichterin und Übersetzerin weithin Anerkennung. Gottsched, der mit Titeln, Ämtern und Ruhm überhäuft ist, kann sich nicht damit abfinden, daß seine gelehrige Schülerin auch ohne ihn Erfolg hat. Im täglichen Zusammenleben versucht er, seinen Herrschaftsanspruch als Eheherr aufrechtzuerhalten.

Trotz der Demütigungen, die Luise Adelgunde Victoria Gottsched erfährt, durchbricht sie die Normen des Althergebrachten und Gewohnten, befreit sich aus der Vormundschaft ihres Mannes und wird die erste Schriftstellerin in Deutschland, der es gelingt, aus ihrer Neigung einen Beruf zu machen.

Schutzumschlag und Einband: Christel Ruppin

Verlag Neues Leben Berlin
1. Auflage 1986
2. Auflage 1988
3. Auflage 1989

Auch erschienen im Buchclub 65
Lizenz des Verlag  Neues Leben, Berlin
1. Auflage 1988

 

Karel Fabián: Das fliegende Pferd

Klappentext:
An alle Dienststellen der Military Police: Gesucht wird Knut Thorndeck. Signalement: Nationalität dänisch, Alter etwa vierzig Jahre, schlank, sportliche Erscheinung, spricht akzentfrei koreanisch, Spezialist für asiatische Sprachen, früher Gymnasialprofessor, zuletzt Schiffsheizer und Landstreicher, verdächtig des Verrats von CIC- Informationen...
Für Oberst Golding, Chef des US- Geheimdienstes, ist der aus Söul verschwundene Knut Thorndeck der Schlüssel zur südkoreanischen Widerstandsbewegung und zu ihrem legendären Haupt, dem Fliegenden Pferd. Golding hat außerdem ein privates Interesse, den Flüchtigen in die Hände zu bekommen: er kann Thorndeck den Boxhieb nicht vergessen, mit dem ihre Bekanntschaft begann. Und ausgerechnet jetzt muß sich Stella, seine Tochter, in diesen klugen, harten, trinkfesten Burschen, in diesen Draufgänger Thorndeck verlieben...
Der Prager Romancier Karel Fabián erzählt die bittere Geschichte eines Intellektuellen, der dem verhängnisvollen Phantom eines „dritten Weges“  nachjagt und so zwangsläufig zwischen die Fronten gerät. Ein Korea-Roman, der aus umfassender Kenntnis des Landes und seiner Probleme geschrieben ist und im Schicksal der Figuren Fakten von weltpolitischer Bedeutung aufleben läßt.

Originaltitel: Letící kůň
Aus dem Tschechischen von Erwin Thiemann
Einbandgestaltung: Axel Bertram, Gruppe 4

Verlag der Nation, Berlin
1. Auflage 1965 / 1.-10. Tsd.
2. Auflage 1966 / 11. - 20. Tsd. 

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Das fliegende Pferd

Verlag der Nation, Berlin
Reihe:
Roman für alle ; Bd. 194/195
1. Auflage 1970  

26 November 2024

H. C. Artmann: Der handkolorierte Menschenfresser – Ausgewählte Prosa

Verlagstext:
In allerlei bunten Verkleidungen tritt der Österreichische Dichter H. C. Artmann dem Leser entgegen – als barocker Erzpoet, als mysteriöser Finsterling der schwarzen Romantik, als Erzähler unglaublicher Begebenheiten, als ballonfahrender Weltenbummler. Die Phantasiewelt, in der er sich zu Hause fühlt, ist dennoch keine erfundene; es ist die Welt der durch die Jahrhunderte fortlebenden Trivialmythen, der immer gleichen, wenn auch in wechselnder Gestalt wiederkehrenden Wachträume. Artmann verleiht ihnen ein literarisches Eigenleben, das den Gesetzen der nüchternen Vernunft spottet. Wortassoziation, skurriler Einfall, eine mit Sprachartistik im Zaume gehaltene Phantasiewillkür konstituieren eine Kunstwelt, die die Wirklichkeit nicht verdrängt, sondern verwandelt und wandelbar wiedererscheinen läßt.
Artmann über eins seiner Bücher: „Hiermit soll der sehnsucht nach einer besseren vergangenheit entgegengetreten werden; wehmütiges sicherinnern ist fruchtlos, ein abgestorbener kirschbaum, der sich nie mehr beblättern wird. Wohl bin ich romantiker –  aber war nicht jede romantik von etwas erfüllt, das uns hin und wieder gegen ende des winters gleich einer noch unrealen frühlingsbrise überfällt?“

Der Autor:
Hans Carl Laertes Artmann wurde 1921 in Wien geboren, war Mitinitiator der avantgardistischen „Wiener Gruppe“, veröffentlichte 1954 seinen ersten Gedichtband „reime verse formeln“, wechselte häufig den Wohnort (Graz, Wien, Berlin, Malmö, heute Salzburg) und ist tätig als Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Übersetzer.

Inhalt:
Der aeronautische Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien nach Crain  .......... 5
Das im Walde verlorene Totem .......... 87
     Greguerias .......... 89
     Personaggi .......... 92
     Fantasmagorien .......... 95
     Enthüllungen .......... 98
     Von einem Drachen oder Der Sturz des Ikarus .......... 101
     Die Abende im Winter .......... 105
     Überall wo Hamlet hinkam .......... 107
Das Suchen nach dem gestrigen Tag oder Schnee auf einem heißen Brotwecken .......... 109
Dracula Dracula .......... 149
     Schnee auf dem Gustav Adolfsplatz in Malmö .......... 151
     Reformationstag .......... 157
     Dracula Dracula .......... 159
     Reise um die Erde in zig Tagen .......... 170
     Tök ph'rong süleng .......... 172
Grünverschlossene Botschaft .......... 195
Fleiß und Industrie .......... 229
Paarodien .......... 249
     Der handkolorierte Menschenfresser .......... 251
     Paarodien .......... 257
     How much, Schatzi? .......... 262
     Auftritt eines Rowdys .......... 276
Die Anfangsbuchstaben der Flagge .......... 281
     Ein ungelöstes Rätsel .......... 285
     Im Golf von Carpentaria .......... 287
     Ein Wesen namens Sophia .......... 297
     Ein gefährliches Abenteuer .......... 304
     Conrad Tragellas' Abenteuer .......... 310
     Eine tatsächliche Begegnung mit Phoo Manchu .......... 323
Unter der Bedeckung eines Hutes .......... 331
Die Sonne war ein grünes Ei .......... 381
Nachwort .......... 400
Quellennachweis .......... 407

Herausgegeben von Rainer Fischer
Mit einem Nachwort von Rainer Fischer
Einbandentwurf: Horst Hussel

Verlag Volk und Welt, Berlin
Ausgabe für die DDR - Lizenz des Residenz-Verlag, Salzburg u. Wien
1. Auflage 1984

Eugen Heilig: Fotografieren für Alle

Aus dem Heft:
Helmut fotografiert selber
Rudi hatte seinen Freund eingeladen,ihn am Sonntag zu besuchen. Er wohnte in einer Vorortsiedlung. Sein Bruder Karl würde auch da sein.
„Rudi hat mir schon erzählt, du willst fotografieren lernen“, sagte Karl nach der Begrüßung. „Ja, weißt du, Fotoapparate soll man eigentlich ebensowenig verleihen wie Füllfederhalter.“ Er kratzte sich hinterm Ohr. „Rudi hat ihn jedenfalls noch nicht benutzen dürfen, aber der ist auch viel zu  ungeschickt.“
„Quatsch – ungeschickt!“ unterbrach Rudi empört, „mir machen bloß andere Dinge mehr Spaß. Zum Beispiel Lesen.“ „Schön, war nicht böse gemeint. Also, Helmut, gezeigt gezeigt habe ich dir den Apparat ja schon, jetzt sieh dir mal die Gebrauchsanweisung an. Auf den Abbildungen kannst du den Bau der Kamera und ihren Gebrauch genau studieren. Das soll man immer tun, ehe man einen Apparat benutzt.“
Helmut hatte sich neulich Vaters Apparat von Ulla genau erklären lassen. Ulla hatte ihm das Schema eines Auges an die Wandtafel gemalt und darunter mit einfachen Strichen eine Kamera. Die Blende, die sie schon bei der Modellaufnahme kurz besprochen hatten und die er sich dann noch genau angesehen hatte, ist auch dem Auge nachgebildet. Im hellen und grellen Licht zieht sich die Pupille zusammen; dadurch wird verhindert, daß zuviel Licht auf die Netzhaut fällt. Im schwächeren Licht erweitert sie sich zu ihrer vollen Größe, um möglichst viel Licht auf die Netzhaut weiterzuleiten. Und Ulla hatte ihm dazu erklärt, daß die Blende in der Optik neben der Tiefenschärfenwirkung auch die Aufgabe erfüllt, den Lichteinfall zu regulieren. Bei sehr hellem Licht, etwa an der See mit dem weiten hellen und dem in der Sonne flimmernden Sand, würde man den Film bei voller Objektivöffnung meist rettungslos überbelichten. Da kann man sich nun durch Verkleinerung der Blende helfen und nur die gewünschte Menge Licht auf den Film einwirken lassen. Und eine ausgedehntere Tiefenschärfe hat man dabei noch als Zugabe. Über die Aufgabe und die Wirkung der Blende wußte er damit schon eine ganze Menge, wenn auch noch nicht alles. …..

Inhalt:
Helmut hat etwas vor ………. 3
Ein Modell wird fotografiert ………. 5
Helmut fotografiert selber ………. 8
Schnappschüsse ………. 12
In der Dunkelkammer ………. 17
Die „Strahlenfalle“ ………. 19
Die ersten fertigen Bilder ………. 20
Vom Sehen ………. 24
Fotografieren ohne Kamera ………. 25
Die Fotografie, eine internationale Erfindung ………. 28
Was nicht in Helmuts Lehrbuch stand ………. 29
Ist das Objektiv „objektiv“? ………. 32
Der Fotoausflug ………. 36
Fotopläne ………. 39
Brüderchen wird fotografiert ………. 41
Besuch in einer Bildagentur ………. 44
Bildreportage selbst gemacht ………. 46

Vignetten von Frans Haacken
Für Leser von etwa 12 Jahren an

dkv der kinderbuchverlag, Berlin
Reihe:
Unsere Welt – Gruppe 3, Mit Werkzeug und Maschine - Arbeit und Technik
1. Auflage 1951 1.-30. Tsd. 

25 November 2024

Viktoria Ruika-Franz: Auf den Spuren des Zauberers Neft

Buchanfang:
Briefe in der Schatztruhe

Auf der Schatztruhe sitzt es sich gut. Sie ist aus festem Holz. In den Deckel hat Axel eine Weltkarte eingebrannt mit bunten Markierungen und Zeichen darauf. Die Hand des Jungen fährt zufrieden über die glatten, mit Bootslack überzogenen Flächen.
Die alte Kiste vom Boden, die zerhackt und verbrannt werden sollte. Vier Wochen brauchte Axel, um aus dem Aschenputtel eine Goldmarie zu machen mit massenhaft Sandpapier, Firnis und Farbe. Seltsames bewahrt er darin auf: einen grollen Ostseebernstein, in dem ein vorzeitliches Insekt eingeschlossen ist, ein Dutzend Muscheln vom Schwarzen Meer, ein getrocknetes Seepferdchen aus Bulgarien, Bilder von fernen Gegenden und fremden Völkern, vielerlei Landkarten, auch die Mineralien, die Onkel Rolf ihm aus dem Uralgebirge mit brachte.
Axel kommt ins Träumen. Onkel Rolf ... Immerzu treibt es ihn in die Ferne auf der Suche nach Erdschätzen. Er bereiste Sibirien: die Goldfelder des Nordostens, das wilde Kupfergebirge Udokan. Sogar in die jakutischen Kimberlitschächte, wo die Diamanten wachsen, steckte er seine Nase.
Jerzt reist er in Sachen Erdöl zum geheimnisumwitterten See Samotior ins westsibirische Gebiet Tjumen. Weit ist das. Weit wie der Rand der Welt. Dort lagert Erdöl in großen Mengen.
Wenn Axel erwachsen ist, wird er nach Schätzen der Erde suchen. Seine Freunde auch. Es ist schön, ein großes Ziel zu haben und durch dick und dünn daraufloszusteuern
Axel öffnet den schweren Deckel der Truhe. Aul der Innenseite steht in verschnörkelten Buchstaben ein sibirischer Spruch: LASS DICH NICHT VOM WEG ABBRINGEN: GEH VORWÄRTS!
Der Junge greift in die Truhe und holt ein Bündel Briefe hervor mit dem Absender: UdSSR. Gebiet Tjumen. Doktor Fuhrmann. Sie riechen nach Abenteuer und machen reiselustig.
Gleich werden die Freunde kommen. Zopfkati, die stets Pinsel und Skizzenblock bei sich trägt. Klamottenschramm, der schon fünfundstebzig Steine sammelte und diese nach dem Mineralbestimmungsbuch sortierte, Bücherwurm Meik, dem es Spaß macht, Uromas altes Lexikon mit Goldschnitt von A bis Z. durchzulesen. Freunde mit Zacken und Kanten. Freunde zum Pferdestehlen. Freunde bei Regen und Sonnen schein. Als vierblättriges Kleeblatt verfolgten sie die Spur des Goldenen Polos, erforschten die Geheimnisse der Kupferfee und nahmen die Fährte des Gelben Diamanten auf. Nun steckte Doktor Fuhrmann sie allesamt mit seinem Erdölfieber an. Gespannt warten sie auf seine Briefe aus dem Land des flüssigen Goldes. Sie heckten auch wieder einen Plan aus. Diesmal geht es um ein Schulfest mit Tee aus dem Samowar, Moosbeerenkonfitüre, russischen Liedern und einem Sack voll Neuigkeiten aus Sibirien. Onkel Rolfs Briefe aus Tjumen kommen wie gerufen. Spannende Stellen daraus sollen vorgelesen werden. Und Kati bereitet mit den Fotos des Geologen eine kleine Bildausstellung vor ... Das Kleeblatt bildet das Festkomitee.
Es klingelt. Axel öffnet.
„Glück auf, Leute!“
„Glück auf, Axel!“
Die Freunde machen es sich bequem auf den Kissen rund um die Schatztruhe. „Her mit dem Material“, sagt Meik. Axel läßt die Briefe kreisen …

Illustrationen von Gisela Röder

Verlag Junge Welt, Berlin
1. Auflage 1985  

Alan Marshall: Windgeflüster


Buchanfang:

Die Suche beginnt
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebten weit hinter den letzten Blechhütten, dort, wo sich die Füchse gute Nacht sagen, ein alter Mann und ein kleiner Junge. Der Alte war als der Krumme Mick bekannt, und der Junge hieß Peter.
Die beiden wohnten in einer Rindenhütte mit zwei Fenstern und einem Rauchfang. Der Wald umschloß ihre Hütte so dicht, daß es einem Hund unmöglich gewesen wäre, im Baumgewirr mit dem Schwanz zu wedeln, geschweige denn zu bellen.
In der Hütte standen zwei Stühle, ein Tisch und zwei Betten. Dann gab es noch einen offenen Kamin mit einer geschwärzten alten Konservendose, die an einer Kette über dem Feuer baumelte. Zaumzeug und Sättel hingen von Haken an der Wand. Auf einem Bild über dem Kamin bäumte sich ein Pferd, auf dem der Krumme Mick saß. In einem Regal standen zwei Bücher, eines über Pferde und das andere über schöne Prinzessinnen. Opossums wohnten im Gebälk über den Betten, und Beuteltiere hatten sich in Höhlen unter dem Fußboden eingenistet.
Der Krumme Mick war der beste Reiter der Welt. Er konnte aufrecht auf einem sich bäumenden Pferd stehen und auf einem Pferd liegen, während es bockte, und er konnte dabei sogar im Sattel bleiben und zwei Tassen Tee austrinken. Er war auf Pferden geritten, die sich so hoch aufbäumten, daß er mit dem Hut die Sterne am Himmel einfangen konnte, und auf Pferden, die so schnell waren, daß sie ihre Brandmale abschüttelten. Er war auf weißen Pferden geritten und auf schwarzen und auf Schecken, ohne jemals abgeworfen zu werden. Der Krumme Mick hatte Peter das Reiten beigebracht.
Peter hatte ein weißes Pferd, das schneller lief als der Wind. Es war schöner als irgendein Vogel und schien Flügel an den Hufen zu tragen. Wenn heftige Gewitter durch den Wald tobten und herabstürzende Wolken mit blitzenden Schwertern über den Lichtungen zusammenstießen, galoppierte Peter durch den Sturm über jeden Blitz, bevor er verschwand. Das weiße Pferd schüttelte den Kopf und wieherte in den Wind. Sein langer Schweif und seine Mähne flogen im Sturm wie Fahnen, und es trug Peter so rasch durch den strömenden Regen, daß ihn kein Tropfen traf. Seine Hufe berührten so leicht den Boden, daß sie die Steppenblumen nicht knickten, wenn sie über sie hinwegstürmten, und die vom Gras gesammelten Wassertröpfchen wie Perlen an jedem Halm haftenblieben.
Einmal brüllte der Südwind: „Heda, Junge auf dem weißen Pferde, das die Blitze überspringt, halt an! Ich möchte mit dir sprechen!“ Seine Stimme klang wie Donner, und er raffte seinen Wolkenmantel um sich, als er aus dem Gewitter heraustrat und sich auf einen Baumstamm setzte.

Inhalt:
Die Suche beginnt .......... 5
Peter lernt Frau Graufell kennen .......... 15
Das Land des Greifenden Grases .......... 30
Frau Graufell kämpft mit dem Riesen .......... 40
Gewitter in der Burg des Riesen .......... 52
Peter und Frau Graufell werden von der Bleichen Hexe gefangengenommen .......... 63
Peter und die Hexe fliegen zum Mond .......... 76
Das Willy-Willy-Männlein .......... 87
Der Kampf mit den Zweifelskatzen .......... 105
Bekanntschaft mit dem Bunyip .......... 116
Die Geschichte des Bunyip .......... 123
Frau Graufells Kampf mit dem Bunyip .......... 130
In der Burg .......... 142
Die Schöne Prinzessin .......... 157
Die drei Aufgaben .......... 168
Der Lügenwettbewerb .......... 175
Die Rückkehr des Willy-Willy-Männleins .......... 184
Feuerfax .......... 192
Die Rückkehr zur Burg .......... 201
Die letzte Aufgabe .......... 207
Peter und Lowana machen Hochzeit .......... 220

Illustrationen von Ruth Knorr
Übersetzung aus dem Englischen von Ernst T. Adler
Originaltitel: Whispering in the Wind
Für Leser von 10 Jahren an

 
Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1973

24 November 2024

Hanns Krause, Lori Ludwig: Brückmanns aus dem zweiten Stock

Buchanfang:
Immer diese Ruhestörer – Marina füttert fremde Katzen und schmiert dem Bruder keine Stulle

Die Stadt, in der sich diese Geschichte zuträgt, gehört zu jenen Städten, die auf dem Atlas nicht viel größer als ein Schreibmaschinenpunkt sind. In Wirklichkeit besitzt sie jedoch ein paar weithin sichtbare Industrieschlote, drei Straßenbahnlinien und einundzwanzigtausend Einwohner; Familie Brückmann mit einbegriffen.
Brückmanns wohnen in der Steinmetzstraße 24, einer schmalen Nebenstraße, in der die Häuser gewissermaßen auf Tuchfühlung stehen. Sie besitzen dort eine Vierzimmerwohnung, zwei Treppen hoch über der Erde.
Leider, sagen die übrigen Mieter des Hauses, leider! Nichts gegen Herrn oder Frau Brückmann, das sind fleißige, hochanständige Leute. Aber ihre Kinder, ogottegott, so was Lautes, Ungestümes und Rücksichtsloses gibt es nur einmal. Die brauchen glattweg ein Haus für sich. Am besten eines mit schalldichten Wänden.
Wenn es sich um die vier jungen Brückmanns handelt, sind sich die Hausbewohner einig. Von Herrn Megerlein, dem Hausvertrauensmann, bis zu Frau Butterberg, die Schauspielerin im Stadttheater ist und in ihrer Zweizimmerwohnung im dritten Stock beim Rollenstudium Ruhe benötigt. Heute erst recht, denn Evelyn Butterberg muß morgen für eine erkrankte Kollegin einspringen und deren Rolle spielen. Evelyn Butterberg hat eine junge Frau darzustellen. Keine Kleinigkeit, wenn man die Vierzig bereits überschritten hat und unentwegt gegen Runzeln und Fältchen ankämpfen muß. Sie vertieft sich in den Text. spricht den großen Monolog – zweiter Akt, erste Szene – halblaut vor sich hin. „Oh, diese Stille, diese gnadenlose Einsamkeit. Wie mein Herz sich quält, wie es sich sehnt nach einem einzigen menschlichen Laut. Ich muß dieser schweigenden Nacht entfliehen. Ich ertrage es nicht länger...“ Evelyn Butterberg preßt die Hände an die Schläfen. Aus dem zweiten Stock ertönt Grammophonmusik, Schlagergedudel. „Heut zieh ich mir das Grüne an und fahr mit dir ins Grüne dann...“ Es ist achtzehn Uhr fünf, Katrin trällert mit. Katrin Brückmann ist siebzehneinhalb Jahre alt. Tagsüber lernt sie im HO-Warenhaus, „Freundschaft“, wie man Schaufenster einräumt. Katrin ist Dekorationslehrling. Sobald sie nachmittags heimkehrt, setzt sie das Koffergrammophon in Bewegung. Musik muß sein. Schallplatten, Schlager und Jazz sind ihr Hobby, ganz abgesehen von schicken Kleidern, Pullis und Einsteckkrägelchen, für die sie außerdem schwärmt. „Heut zieh ich mir das Grüne an und fahr mit dir ins Grüne dann...“ Im gesamten Haus ist es zu hören, Katrin hat das Fenster ihres Zimmers sperrangelweit geöffnet. Der Mensch braucht Sauerstoff, frische Luft ist gesund. Noch dazu im Mai. Frau Butterberg springt auf. Dieser Krach, dieses scheußliche Grammophon, unmöglich, sich dabei auch nur ein einziges Wort der Theaterrolle einzuprägen. Sie reißt das Fenster auf, beugt sich weit hinaus. Das platinblonde Haar fällt ihr ins Gesicht. „Ruhe da unten“, schreit sie. „Ruhe. Das Gedudel ist ja widerlich. Jeden Nachmittag die gleiche Rücksichtslosigkeit. Unerhört, so was!“
Katrin läßt sich nicht stören. Die Butterberg soll sich bloß nicht so haben, denkt sie, so eine großartige Künstlerin ist die bei weitem nicht ... Sie legt eine neue Platte auf. Den „Feuerwerkerdixie“, extra für Frau Butterberg. Ganz große Nummer. Mit Klarinetten-, Trompeten- und Schlagzeugsolo.
Frau Butterberg überlegt, ob sie die Polizei herbeiholen soll. Aber sie verwirft diesen Gedanken gleich wieder. Ich darf mich nicht ablenken lassen, ich muß lernen, lernen ... Evelyn Butterberg zieht die Fenstervorhänge zu, in die Ohren stopft sie sich Watte. Noch einmal der Monolog. „Oh, diese Stille, diese gnadenlose Einsamkeit. Wie mein Herz sich quält, wie es sich sehnt nach einem einzigen menschlichen Laut ...“
Wumm! Unten im Treppenhaus knallt die schwere Haustür ins Schloß. Es ist achtzehn Uhr zehn geworden. Immer, wenn Peter Brückmann um diese Zeit aus dem Kindergarten kommt, kündigt sich so sein Erscheinen an. Peter ist vier Jahre alt, ein stupsnasiger, dunkelblonder Quirl. Ungestüm poltert er die Treppe hinauf. Peter singt dabei. Nicht ohne Stolz, er hat im Kindergarten heute wieder ein neues Lied gelernt:
„Ich bin ein kleiner Kosmonaut und suche eine tapfre Braut, die mich begleitet – lieb und klug – bei meinem nächsten Weltraumflug.“
Länger ist das Lied nicht. Peter wird nicht müde, die vier Zeilen mit wachsender Lautstärke zu wiederholen. Es ist herrlich, beim Treppensteigen zu singen und dabei mit den Stiefeln den Takt zu stampfen. Ich bin ein kleiner Kosmonaut, bum, bum, bumm ... Oben, im zweiten Stock, wird Peter in Empfang genommen. Nicht von seiner großen Schwester, die hat keine Zeit, die muß sich ihren Schallplatten widmen. Frau Kowalsky, ........

Illustrationen und Umschlagentwurf von Horst Hausotte

Gebrüder Knabe Verlag, Weimar
Reihe:
Knabes Jugendbücherei
1. Auflage 1962
2. Auflage 1964
3. Auflage 1974

23 November 2024

Theo Harych: Im Namen des Volkes? – Der Fall Jakubowski

Klappentext:
Niemand in dem mecklenburgischen Heidedorf Palingen hätte dem Knecht Josef Jakubowski etwas Schlechtes zugetraut. Er war doch stets ein guter Mensch, sagen die Leute. Hat er damals nicht die Ida genommen, obgleich sie ein Kind von einem anderen bekam? Und hat er nicht immer für den kleinen Ewald gesorgt, auch später, als die Ida tot war? Und nun soll er diesen Jungen im Teufelsmoor umgebracht haben! Nein – der Josef ist kein Mörder! Dennoch geschieht das Unglaubliche: Lückenhafte Indizien reichen aus, ihn zum Tode zu verurteilen.
Bald erregt der „Fall Jakubowski“ die Weltöffentlichkeit. Die mangelhafte Voruntersuchung, die unkorrekte Prozeßführung erschüttern das Vertrauen zur deutschen Justiz. Gerechte Menschen appellieren an Vernunft und Gewissen, fordern die Revision, die Wiederaufnahme des Verfahrens – ihre Stimmen verhallen. Ein kleiner Landpolizist setzt die Ermittlungen eigenmächtig fort. Er zerpflückt ein scheinbares Indiz nach dem anderen, entlarvt sogar die wahren Täter – doch Staatsanwalt und Richter schweigen. Denn „Berufsehre“ und Karriere stehen auf dem Spiel. Sie gelten ihnen mehr als das Leben eines redlichen Arbeiters.
Am 15. Februar 1926 fällt in der Strafanstalt Strelitz- Alt das Haupt eines Unschuldigen. Das Urteil ist vollstreckt.
Im Namen des Volkes?

Umschlag: Werner Gerwinski

Verlag Volk und Welt, Berlin
1. Auflage 1958
2. Auflage 1960
3. Auflage 1962

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Verlag der Nation, Berlin

Lizenzausgabe des Verlag Volk und Welt, Berlin
Reihe: Roman für alle ; Bd. 86
1. Auflage 1959  

22 November 2024

Jürgen Lehmann: Strandgesellschaft

Klappentext:
An jedem Wochenende nehmen sie ein Stückchen Strand in Besitz, um durch Nacktheit ihre Blößen zu verbergen: der Gärtner Fährbig seine Angst vor Krankheit; Kunstmaler Röhnig das schwierige Verhältnis zu seiner kritischen Tochter; Lohmann, rechte Hand des alten Generaldirektors, die Sorge um die Karriere. Doch an diesem Wochenende funktioniert der lang erprobte Mechanismus der Verdrängung nicht, denn Küster stört die Scheinidylle: Küster, der eigentlich nur die baufällige Hütte am See niederreißen wollte, Küster mit seinem Schmerz um das verschenkte Leben seiner Freundin Gabi.
Als Küsters Hütte schließlich in Flammen aufgeht, haben die Datschenbewohner ein aufregendes Wochenende hinter sich.
Jürgen Lehmann stellt, wie schon in dem Erzählungsband »Begegnung mit einem Zauberer« bildreich und verhalten-ironisch die Schwierigkeiten menschlichen Zusammenlebens dar. Er will jedoch auf diese Weise dazu anregen, die »lokalen Katastrophen« des Nachbarn nicht unbeachtet zu lassen.

Schutzumschlag: G. Ruth Mossner

Mitteldeutscher Verlag, Halle-Leipzig
1. Auflage 1980
2. Auflage 1982

Karl Heinz Berger: Geschäftsrisiko

Verlagstext:
Schauplatz des Geschehens ist ein exklusiver Kurort in der BRD, dessen reizvolle landschaftliche Lage Anziehungspunkt für wohlhabende Leute von Rang und Namen ist. Doch die Idylle trügt. Gewinnsucht, der Moloch Geld bestimmen auch hier das Denken und Handeln, setzen ethische Grundsätze und moralische Bedenken außer Kraft und lösen eine Kausalkette menschlichen Versagens und kriminellen Vergehens bis hin zum Mord aus.
Den Stein ins Rollen und die Kriminalisten auf die Spur bringt Clemens Frank, ein vorzeitig in den Ruhestand getretener Buchhändler und Bibliophile nach wie vor, der, getrieben von der Sorge um das Befinden seines Patenkindes Franziska, sich unversehens als Detektiv wider Willen in die Ereignisse verstrickt sieht.

Umschlagentwurf: Erhard Grüttner

Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Reihe
: DIE - Delikte Indizien Ermittlungen
1. Auflage 1982
2. Auflage 1989

Hasso Grabner: Makedonisches Duell

Klappentext:
Griechenland nach dem Putsch der Obristen im Jahre 1967. Im Expreß Athen-Larissa-Istanbul sitzt ein unauffällig gekleideter Mann, der in Thessaloniki, dem Zentrum der griechischen Nordprovinzen, Zugang finden soll zu einer Gruppe Linksoppositioneller, deren die Polizei bislang nicht habhaft werden konnte. Um sein Ziel zu erreichen, hat er sich der Identität eines anderen bemächtigt, dessen Leben in den Kellern des Athener Averoff-Gefängnisses längst ein Ende gefunden hat: Als angeblicher kommunistischer Kurier Galinos wird Nummer X 211 der Zentralen Griechischen Sicherheitsbehörde ein feinmaschiges Netz zu knüpfen suchen, in dem sich der illegale Widerstand im Norden des Landes verfangen soll.
Und das so klug erdachte Spiel auf Leben und Tod scheint zu gelingen. Es treibt aufrechte, selbstlose Menschen in eine Bewährungsprobe, die Optimismus und Tragik, Mut und Versagen widerspiegelt und in der die Härte der Auseinandersetzungen im Griechenland von heute sichtbar wird.

Einband- und Schutzumschlagentwurf: Hans Ticha

Verlag Das Neue Berlin, Berlin
1. Auflage 1973
2. Auflage 1974

21 November 2024

Vladimir Pozner: Die Verzauberten - Spanien erste Liebe - Der Ulmengrund

Klappentext:
Wenn Prinz Abdallah seinen Zauberstab schwingt, verschwinden bunte Tücher, sausen Spielkarten durch die Luft, verwandeln sich Kaninchen in rasselnde Wecker oder in eine Flasche Champagner. Doch sein wunderbarstes Kunststück vollbringt er, wenn er ein Herz verzaubert, dann bleibt der Prinz für immer gegenwärtig in seinen Verzauberten. So in Annette, einer kleinen Hausangestellten, und in Diane, einem siebenjährigen Mädchen. Diane ahnt eine gewaltige, verborgene Kraft, und „als sie, Jahre später, zum erstenmal in einem Buch, vielleicht ‚Manon Lescaut’, oder in einem Herzen, vielleicht dem ihren, auf die Liebe stieß, war dies für sie nicht eine Offenbarung, sondern zauberisch und einzig vollkommen eine Erinnerung“. Sehnsuchtsvolle Erinnerung ist auch für Pierre, den jungen Maler aus Spanien erste Liebe, die Begegnung mit dem Mädchen Pilar, das er vor Jahren, in den Wirren des Spanischen Bürgerkrieges, kaum gewonnen, wieder verlor. Gleicherweise um die „Erziehung der Gefühle“ geht es in der dritten, bei uns bisher noch nicht veröffentlichten Erzählung Der Ulmengrund. Der Junge Didier, durch den Tod der Mutter jäh aus der Geborgenheit der Kindheitswelt gerissen, erfährt zum erstenmal in seinem Leben einen unwiederbringlichen, schmerzlichen Verlust. „Man mußte alles sagen, alles verheimlichen, hart sein und zärtlich“, sagt der Ich-Erzähler. Worte, die auf alle drei Texte dieses Bandes zutreffen und aus denen der genaue und einfühlsame Beobachter verborgener psychischer Vorgänge spricht, als der sich der französische Autor Vladimir Pozner hier erweist.

Vladimir Pozner, französischer Schriftsteller, Publizist und Filmszenarist, wurde 1905 als Sohn russischer Emigranten in Paris geboren. Er verbrachte Kindheit und Jugend abwechselnd in Paris und Petersburg, siedelte 1921 endgültig nach Frankreich über und trat zunächst als Übersetzer und Herausgeber junger sowjetischer Literatur hervor. In den dreißiger Jahren engagierte er sich aktiv im antifaschistischen Kampf, nahm als Militärkraftfahrer am zweiten Weltkrieg teil und emigrierte in die USA. Hier arbeitete er in verschiedenen Berufen, zuletzt als Drehbuchautor in Hollywood. 1947 kehrte er nach Frankreich zurück und wandte sich verstärkt seiner schriftstellerischen und publizistischen Tätigkeit zu. In Pozners Schaffen haben die großen historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, deren Zeuge er war, ihren Niederschlag gefunden: die Oktoberrevolution („Der weiße Baron“, 1937, dt. 1958), Faschismus und Krieg („Die Irrfahrt“, 1942, dt. 1955; „Das Wasser war viel zu tief“, 1969, dt. 1971; „Abstieg in die Hölle. Zeugnisse über Auschwitz“, 1980, dt. 1982), der Spanische Bürgerkrieg („Spanien erste Liebe“, 1964, dt. 1966) und der Algerische Befreiungskampf („Der Richtplatz“, 1959, dt. 1961). Weiterhin sind bei Volk und Welt erschienen: „Wer hat H. O. Burrell getötet?“ (1953, dt. 1953), „Erinnerungen an Gorki“ (1957, dt. 1959), „Die Verzauberten“ (1961, dt. 1963), „Vladimir Pozner erinnert sich“ (1972, dt. 1975), „Die Nebel von San Francisco“ (1985, dt. 1986).

Inhalt:
Die Verzauberten .......... 5
   Le Lever du rideau
   Übersetzt von Stephan Hermlin

Spanien erste Liebe .......... 131
   Espagne premier amour
   Übersetzt von Stephan Hermlin

Der Ulmengrund .......... 243
   Le Fond des ormes
   Übersetzt von Eva und Gerhard Schewe


Aus dem Französischen von Stephan Hermlin, Eva und Gerhard Schewe

Verlag Volk und Welt, Berlin
Reihe:
ex libris Volk und Welt
1. Auflage 1987  

Jewgeni Schwarz: Märchenkomödien

Einbandtext:
Man tut gut daran, JEWGENI SCHWARZ (1896-1958) nicht beim Wort zu nehmen, wenn er von sich sagt, er sei nur Märchenerzähler. Er dichtet in der Welt der Märchen, gebraucht ihre Motive, Symbole und Figuren, sucht jedoch dabei die ethischen, ideologischen und politischen Lebensfragen seiner Zeit künstlerisch zu erhellen. Die tradierten Gestalten mit der Brillanz seiner Dialektik anreichernd, macht er sie mehrschichtig und mehrdeutig, ohne sie aus der Handlungsebene des Märchens herauszulösen und ohne ihnen dessen Ursprünglichkeit zu nehmen. Die Verbindung von Märchenvorgang und zeitbezogener Konfliktlösung erzeugt jene Aktualität, durch die Schwarz' Märchenkomödien den Zuschauer und Leser fesseln. Im Dialog spiegelt sich diese eigentümliche Verbindung in der selbstverständlichen Einbeziehung der phantastischen Umstände in die nüchterne Auseinandersetzung. Die Originalität und künstlerische Vollendung dieser Handschrift sichern Schwarz seinen Platz unter den besten sowjetischen Dramatikern.

Inhalt:
Der nackte König....... 5
Der Drache................. 85
Der Schatten.............. 149
Bildteil....................... 221
Nachwort................... 225

Umschlaggestaltung: Irmgard Horlbeck-Kappler

Alle deutschsprachigen Rechte gehören dem Henschelverlag Kunst und Gesellschaft Berlin
„Der Drache“ (Даркон), hier in der Bühnenfassung des Deutschen Theaters Berlin, und  „Der nackte König“ (Голый король) wurden von Günter Jäniche übersetzt. Texte nach: Jewgeni Schwarz, Stücke, Henschelverlag Berlin 1970
„Der Schatten“ (Тень) wurde in der Neufassung von Hansjörg Utzerath und Martin Wiebel vom Bühnenvertrieb des Henschelverlages übernommen

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig
Reihe:
Reclams Universal-Bibliothek, Band 322
1. Auflage 1972
2. Auflage 1974
3. Auflage 1977

20 November 2024

Wolf Dieter Brennecke: Erich und das Schulfunkstudio

Buchanfang:
Mit Tränen
und abgesperrten Türen beginnt es


Die Glocke der Uhr an der Nicolaikirche schlug pflichtgemäß dreimal; denn es war genau Viertel vor drei. Ein Krähenvolk, das zum Strom hinüberstrich, füllte die Luft mit heiserem Gekrächz. Die alte Windfahne auf dem Dach der Apotheke tanzte beschwingt im warmen Südwind hin und her, als wollte sie sich dem Schwarm anschließen. Den ganzen naßkalten Winter hindurch hatte sie asthmatisch gekreischt und gejammert, denn es ist kein schöner Beruf, bei Wind und Wetter tagein, tagaus auf einem Dachfirst zu hocken. Doch nun war alle Not vergessen. Die Sonne stand hoch über den Straßen der Stadt, und blau wölbte sich der Himmel über ihren Dächern. Noch nicht tiefblau und klar, mehr hellblau, getupft mit durchsichtigen weißen Wolkenfetzen, aber doch eine Freude nach den letzten kalten Märzwochen, die sich mit Schauern von Schnee und Eisgraupeln verabschiedet hatten. Noch qualmten überall die Schornsteine, denn trotz der Sonne war es kühl; aber in den Vorgärten wurde schon gegraben und geharkt, und hier und da setzte ein Mann die ersten Stiefmütterchenbüsche in die Erde.
Bei dem herrlichen Sonnenschein waren viele Menschen unterwegs. Die Frauen und Mädchen trugen bereits leichte Mäntel, die Männer knöpften ihre Joppen auf. Und alle zeigten fröhliche Gesichter. Wie doch ein schöner Frühlingstag die Menschen gleich verändert! Gestern noch rannten sie verschnupft mit mürrischen Mienen durch die Straßen und schimpften auf Wind und Kälte, auf den Regen und die ganze Welt; heute spazieren sie gemächlich dahin, begrüßen sich freundlich, bleiben stehen und tauschen Rede und Gegenrede: ob sich das Wetter hält, ob man am Sonntag schon in den Stadtpark gehen kann, was für Blumen in diesem Jahr in die Balkonkästen kommen sollen. Auf einmal sind alle Leute gutgelaunt und voller Unternehmungslust. Und das bewirkt eine Handvoll Sonnenschein. ..........

Inhalt:
9 .............. Mit Tränen und abgesperrten Türen beginnt es
17 ............ Das Radiokomitee tritt zusammen
23 ............ Eine Sendung wird ausgearbeitet
31 ............ Gespräche am Abend
41 ............ Wenn einem eine Schraube fehlt
46 ............ Ein Fahrstuhl mit eingebauter Dusche
53 ............ Zuerst werden 10 Minuten Pause gesendet
58 ............ Hier ist das Schulfunkstudio, Frohe Zukunft"
68 ............ Erich macht Gedichte
73 ............ Schulleiter Brummert in der RFT-Werkstatt
80 ............ Ein müder Mann wird wach
85 ............ Morgenstunde bringt Gäste ins Haus
92 ............ Irgend etwas stimmt da nicht
101 .......... Die Volkspolizei in der Schule
113 .......... Herr Raue weiß von nichts
119 .......... Das Metallschildchen
128 .......... Schnüff, der Meisterdetektiv
134 .......... Der Mikrofoneinsatz
148 .......... Wichtige Nachrichten
158 .......... Herr Raue in der Klemme
163 .......... Zwei Konferenzen
171 .......... Der Mann mit dem grauen Hut
178 .......... Wo ist Erich?
191 .......... Noch ein Zwischenfall

Schutzumschlag, Einband und Textillustrationen von Paul Rosié
Für Leser von 12 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1952 1.-20. Tsd.
2. Auflage 1953 21.-30. Tsd.

Wolf Durian: Robber

Buchanfang:
Der Punkt
Bis dahin war alles finster gewesen. Nun aber sah er den Punkt.
Der kleine Wolf steckte mit seinen Geschwistern in einer Höhle in dem Waldgebirge am Rand der Prärie. Es war ein wildromantisches Gebirge mit gewaltigen Felsen und Schluchten, durch die die Wildwasser schäumten. Die Bäume standen schief von den Winterstürmen, die aus der Prärie daherbrausten und gegen die Felsen prallten; bei manchen waren die Wurzeln bloßgelegt. In den Windbrüchen kletterte das Gestrüpp der Latschenkiefern, Wacholder und Alpenrosen empor. Ein Mensch kam hier nur mit Mühe hindurch.
Ringsum war Finsternis in der Höhle, da war nur dieser helle Punkt, auf den er nun immerzu hinstarren mußte. Durch den hellen Punkt kam die Mutter. Der helle Punkt war der Eingang der Höhle. Wenn die Mutter kam, war er verschwunden. Ihr Schatten verdunkelte ihn.
Die fünf Geschwister hockten dicht beisammen, so daß sie sich warm hielten. Wochenlang waren sie blind gewesen, nun starrten sie auf diesen hellen Punkt. Auf einmal war er verschwunden, da wollten sie alle zugleich auf die Beine, purzelten übereinander, maunzten und greinten und zuckten mit ihren Schwänzchen. Nun war alles gut, die Mutter war da, es roch nach Mutter. Der Atem der Mutter blies über die Gesichter, es kitzelte in den Ohren. Dann kam die Zunge. Überall reichte die Zunge der Mutter hin, sie wusch die Kleinen so gründlich, daß man sie danach hätte für Igel halten können, wenn ein Mensch sie gesehen hätte; die Haare an den Wattepelzen klebten zusammen. Aber das ging vorüber, und dann kam der lang ersehnte Augenblick, daß die Mutter sich hinstreckte zu ihren Kindern und die fünf kleinen Schnüffelnasen sich in ihr weiches und warmes Bauchfell einwühlen durften. Und sie begannen zu schmatzen, die Kleinen, sie knurrten, stießen und bissen in das Fell der geduldigen Mutter. Danach lagen sie still und lutschten in Frieden die süße Muttermilch. Und wenn sie die Bäuchlein voll hatten, schliefen sie ein, wie und wo sie lagen. Der warme Leib der Mutter war ihr köstliches Ruhekissen.

Illustrationen: Hans Betcke
Einband: Hans Baltzer

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1955
2. Auflage 19??
3. Auflage 1957
4. Auflage 19??
5. Auflage 19??
6. Auflage 1961
7. Auflage 19??
8. Auflage 1962
9. Auflage 1963
10. Auflage 1964
11. Auflage 1965
12. Auflage 1966
13. Auflage 1969
14. Auflage 1971


15. Auflage 1974  
Der Kinderbuchverlag, Berlin
Reihe: Paperback für junge Leser

19 November 2024

Gerhard Holtz-Baumert: Sieben und dreimal sieben Geschichten

Einbandtext:
Nach seiner weiten Reise, getragen, gezogen, getrieben vom galaktischen Sog, sitzt Kilian, der siebenköpfige Flugdrachen, endlich wieder bei seinen Geschwistern im Nest, schnurrt wie eine Katze und blinzelt in das schwarzviolette All mit den blauen Sonnen. Lange sinnt er über seine Erdenerlebnisse nach. Und schließlich schüttelt er die Hälfte der Köpfe, und mit denen der anderen Hälfte nickt er.
Ja, fragen wir, wie geht denn das, wenn man sieben Köpfe hat?
NIchts da. Kilian wird es schon wissen, und wir, die Erdenbewohner, Leser und Leserinnen der Sieben und dreimal sieben Geschichten, sollten uns abgewöhnen, irgend etwas merkwürdig zu finden.




Inhalt:
     Der entführte Prinz und das Gärtnermädchen .......... 5
     Das Rätsel der Prinzessin GÜ .......... 22

Das erstemal sieben Geschichten
     Zauberei auf der Eisscholle .......... 41
     Februarbirnen .......... 43
     Wiederkehr des Tümpels .......... 46
     Schlaflied für Hühner .......... 49
     Der Habicht-Reiher .......... 52
     Nachbars weißes Haus .......... 56
     Meisenschokolade .......... 59

     Cornelia oder Die Verwandlung einer Gruppenratsvorsitzenden in ein Ungeheuer .......... 63
     Der lange Ritt zur Schule .......... 78

Das zweitemal sieben Geschichten
     Schwarzer Ast im Walnußbaum .......... 95
     Der Schuß ins Paradies .......... 98
     Die Gewohnheit der Wege .......... 101
     Das rote Gras .......... 104
     Meine Schwalbe .......... 107
     Die veränderten Disteln .......... 109
     Die faule Möwe, die kluge Möwe .......... 112

     Der König und die Kräutermuhme Kasche .......... 115
     De schöne Prinzessin und der Drache .......... 127

Das drittemal sieben Geschichten
     Der König der Stare .......... 149
     Der Tod der Bäume .......... 152
     Die Tiere der Stadt .......... 155
     Trauermantel - nah und fern .......... 158
     Die Pilzglucken .......... 161
     Der Schlaf der Schwäne .......... 164
     Meine Kraniche .......... 166

     Kilian im Kiefernwald .......... 169

Für Leser von 9 Jahren an
Illustrationen: Egbert Herfurth

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1979
2. Auflage 1980
[Neuauflage]
1. Auflage 1981
2. Auflage 1982
3. Auflage 1983
4. Auflage 1987
5. Auflage 1988  

18 November 2024

Die Gespräche des göttlichen Pietro Aretino

Klappentext:
Was hier auf gut vierhundert Seiten folgt, ist eine kräftige literarische Kost, ein Werk, das seit Jahrhunderten in den Giftschränken weniger Bibliotheken streng behütet lagerte und ansonsten nur in bibliophilen Ausgaben einem handverlesenen Publikum zugänglich war. Der dieses ›verruchte‹ Buch geschrieben hat, war eine der schillerndsten Persönlichkeiten, die das ausgehende Renaissancezeitalter hervorgebracht hat: der Dichter, Kritiker und Gelegenheitsdiplomat Pietro Aretino (1492–1556). Er, den die Zeitgenossen ›il divino‹, ›den Göttlichen‹, nannten und den die Großen der Zeit aus Angst vor seiner spitzen Feder umschmeichelten, hat mit seiner ›Ragionamenti‹ ein Werk geschaffen,das die besten literarischen Traditionen der Antike sexualibus fortgeführt hat. ›Da sehen wir das Rom von 1530. Der römische Monsignor und Kavalier, der Bettler und der Wucherer, der Lakai, der Handwerker und der Zuführer – sie alle haben mit der Kurtisane Nanna zu tun. Die große Völkerstraße scheint durch Nannas Haus zu führen. Nicht nur die Römer, auch die anderen italienischen Großstädter jener Zeit, Venizianer und Mailänder, Sienesen und Florentiner, Genueser und Neapolitaner, bewegen sich um sie herum, und nicht blos Italiener – auch Franzosen, Deutsche, Spanier. Nannas Haus ist Mittelpunkt von Europa. Alle Wege führen nach Rom, und in Rom führt jeder Weg zur Unzucht.‹ Gerade dieser Aspekt ist bei der Beurteilung des Autors und seines Werkes immer übersehen worden, denn bei aller fröhlichen Drastik, bei aller Detailtreue, mit der in diesen dialogischen Erzählungen das Liebemachen in seinen Variationen dargestellt ist, wird doch eine handfeste Zeitkritik betrieben. Personen jeglichen Standes und jeglicher Nation, die da mit mehr oder weniger beweglichen Lenden, lachend und fluchend, weinend und grinsend, feilschend und renommierend durch die Btten marschieren, sie alle haben Aretinos Hohn und höllisches Gelächter einzustecken. Und daß dieses Gelächter Leser aller Zeiten immer wieder ansteckt, dafür sorgt ein Feuerwerk an erotischer Mtaphorik, das da bunt durch das Buch flimmert und das von Heinrich Conrad kongenial in unsere an einschlägigem Vokabular so arme Sprache übersetzt worden ist.

Inhalt:
VORBEMERKUNG .......... 5
ERSTER TEIL
Pietro Aretino seinem Äffchen .......... 15
DER ERSTE TAG
Wie Nanna in Rom unter einem Feigenbaum der Antonia
von dem Leben der Nonnen erzählte .......... 19
DER ZWEITE TAG
Wie Nanna der Antonia vom Leben der Ehefrauen erzählte .......... 71
DER DRITTE TAG
Wie Nanna der Antonia vom Leben der Freudenmädchen erzählte .......... 127
ZWEITER TEIL
Widmung .......... 193
DER ERSTE TAG
Wie Nanna ihr Töchterlein Pippa im Hurenberuf unterrichtet .......... 196
DER ZWEITE TAG
Wie Nanna der Pippa von den schnöden Streichen erzählt,
die die Männer den unglücklichen Weibern spielen,
die ihnen ihr Vertrauen schenken .......... 285
DER DRITTE TAG
Wie Nanna und Pippa in ihrem Garten saßen und der Gevatterin
und der Amme zuhörten, die sich über die Kunst der Kuppelei unterhielten .......... 370

Vorbemerkung von Rudolf Noack
Übertragen von Heinrich Conrad

Insel-Verlag Anton Kippenberg, Leipzig
1. Auflage 1903
2. Auflage 1980
3. Auflage 1981
4. Auflage 1985
5. Auflage 1987
6. Auflage 1989

Bernhard Faust: Das Wort war seine Macht - Das Leben Robert Blums


Klappentext:
An einem trüben Novembertag des Jahres 1848 wird der Abgeordnete des Frankfurter Parlaments Robert Blum in Wien zur Exekution geführt. Das Gericht hat die Immunität des Abgeordneten nicht respektiert. Doch warum ist nur er verurteilt worden, warum nicht die Gefährten - Fröbel und Hartmann? Sie haben doch auch gegen Windischgrätz gekämpft! Blum weiß nicht, daß er das Opfer politischer und privater Intrigen ist. Ihn beschäftigt jetzt nur noch die Frage nach dem Inhalt seines Lebens. Aber hat er je nach persönlichem Wohlleben gestrebt? In entbehrungsreichen Kindheitsjahren nicht, nicht beim Tode Adelheids, und auch jetzt wird er stark bleiben, obwohl er Frau und vier Kinder schutzlos zurück läßt. Noch einmal durchlebt er in diesen Augenblicken seine Vergangenheit. Glück, Recht und Freiheit aller Deutschen bedeuteten ihm stets alles. Für sie wirkte er in Leipzig im Schillerverein, als Publizist; deshalb ging er nach Frankfurt, als man ihn ins Parlament wählte; und deshalb kämpfte er auch für die Revolution hier in Wien. Er hat nichts zu bereuen. Sein Leben war sinnvoll. Aufrecht und gefaßt kann Blum dem Tode entgegensehen, und er ruft an seinem Grabe: "Ich sterbe für die Freiheit. Möge das Vaterland meiner gedenken!"

Inhalt:
I – Jugend ohne Freude .......... 7
II – Wenn einer eine Reise tut .......... 44
III – Unteroffizier Kindermann .......... 77
IV – Die gute alte Zeit .......... 87
V – Bedarf an Politik .......... 114
VI – Figaro Blum .......... 121
VII – Mein Leipzig lob' ich mir .......... 136
VIII – Wiedersehen mit dem Leben .......... 155
IX – Jenny und die Politik .......... 169
X – Sächsische Politik .......... 224
XI – Nationalpolitik .......... 245
XII – Die Reise nach Wien .......... 303
XIII – Helden der Revolution .......... 328
XIV – Der Diplomat im Hinterhalt .......... 347
XV – Die Vollstreckung .......... 363

Schutzumschlag- und Einbandgestaltung: Günter Junge

Buchverlag der Morgen Berlin
1. Auflage 1961


17 November 2024

Rudolf Braune: Das Mädchen an der Orga Privat

Klappentext:
„Liebe Eltern, bin gut angekommen...“, schreibt Erna Halbe an die Eltern. Vorfreude auf eine neue Arbeit, Neugier auf die große Stadt und auch ein wenig Ängstlichkeit erfüllen die Zwanzigjährige, die aus einem kleinen mitteldeutschen Industriestädtchen nach Berlin gekommen ist. Sie möchte gut verdienen, selbständig sein, etwas erleben. Unter den Mädchen im Büro lernt sie Fröhlichkeit und Sorge kennen. Ihr begegnet die Liebe, sie glaubt sich glücklich. Aber dann geschehen Dinge um sie herum, die sie heftig erschrecken, aufrütteln und aus dem stillen Mädchen eine tapfere Heldin des Alltags erwachsen lassen. Eine kleine alltägliche Geschichte? Vielleicht! Aber mit wieviel Wärme, Sympathie, Engagement vermag der junge, begabte, leider zu früh verstorbene Rudolf Braune die Größe dieser einfachen arbeitenden Menschen wiederzugeben und echtes Milieu vom Ende der 20er Jahre zu zeichnen.

Buchanfang:
Eines Morgens, im Frühjahr 1928, kommt ein junges Mädchen mit dem Leipziger Zug auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin an. Niemand erwartet sie. Niemand beachtet sie in dem Gewühl dieses Berliner Arbeitsmorgens, unter dem Rauch eines feuchten, traurigen Himmels. Sie trägt einen anscheinend sehr schweren Handkoffer, denn ab und zu nimmt sie ihn in die andere Hand. Das Mädchen geht langsam mit kleinen Schlenkerschritten und betrachtet mit mürrischem, verschlafenem Gesicht die eifrig herumlaufenden Menschen, Bahnbeamte, Verkäufer, Zeitungshändler, Arbeiter und Reisende. Als sie aus der rußigen Halle herauskommt, ziehen gerade die Regenwolken auseinander, und die Asphaltpfützen glänzen auf. Ein matter Schein huscht über die grauen Häuserfronten, springt über Firmenschilder, an Erkern und vorgetäuschten Balkonen vorbei, über die Straße bis zu diesem kleinen Mädchen, die einige Minuten am Ausgang des Anhalter Bahnhofs stehenbleibt, ehe sie im Gewühl der Stadt verschwinden wird. Ihr Koffer steht neben ihr auf dem Boden, die großen Hände stecken in den Taschen des braun gesprenkelten Mantels. So sieht Erna Halbe zum ersten Male Berlin.
Sie kommt aus einem kleinen Industrienest in der Nähe von Korbetha im Mitteldeutschen. Ihr Vater arbeitet in der Zeche, sie selbst, das vierte Kind von elfen, hat Stenographie gelernt und Schreibmaschine und vier Jahre bei einem Rechtsanwalt gearbeitet. Die Enge im elterlichen Hause, der ewige Streit und Krach paßten ihr nicht mehr. Nach vielen vergeblichen Versuchen und Bewerbungen erhielt sie endlich vor ein paar Tagen eine Zusage aus Berlin. Einhundertdreißig Mark brutto, schrieb die Gesellschaft, Arbeitsantritt Mittwoch früh neun Uhr.
Das war ihre erste große Reise.
Zuerst muß ich mir ein Zimmer suchen, überlegt sie. ........

Schutzumschlag und Einband: Paul Rosié
Die Erstausgabe erschien 1930.
Unsere Ausgabe folgt der 1960 in der Roten Dietz-Reihe erschienenen Auflage. *

Verlag Neues Leben, Berlin
1. Auflage 1975

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Verlagstext:
Ihre Kleider sind längst nicht so schick wie die der anderen Mädchen, man merkt: sie kommt aus der Provinz, die kleine Erna Halbe, die eben ihre Stelle in der Eisenverwertungs-GmbH in Berlin angetreten hat und nun hinter der klapprigen Orga Privat sitzt. Aber sie ist nicht auf den Kopf gefallen, sie hat Mut und ein gesundes Rechtsgefühl, und so wird sie unversehens zur Rebellin. Und als sie gehen muß, geht sie stolz und ungebrochen: sie hat den Kampf aufgenommen, und sie wird weiterkämpfen.

Mit einem Nachwort von Otto Gotsche
Erstausgabe 1930

Dietz Verlag, Berlin
Reihe:
rdr Rote Dietz-Reihe, Bd. 2
1. Auflage 1960 [  1. - 40. Tsd.]
2. Auflage 1961 [41. - 60. Tsd.]

Leonhard Frank: Gesammelte Erzählungen

Klappentext:
Ungewöhnliches geschieht: Da löst sich der letzte Wagen eines Zuges, rast den Berg hinab, und in der unausbleiblichen Panik erweist sich, wie beständig bürgerliches Wohlverhalten ist. Da kehrt einer aus dem Krieg zurück und nimmt in Besitz, was einem anderen gehört, Frau, Heim, dessen Vergangenheit – ganz so, als wäre er der andere. Da begegnet einem Mädchen der Traumgeliebte, und es rettet ihn, den Unbekannten, aus großer Gefahr. – Leonhard Franks Erzählungen, geschrieben zwischen 1916 und 1954, sprechen von den Ängsten, die Menschen durch andere erlitten haben, von den quälenden Eingriffen durch Eltern, Vorgesetzte, Amtspersonen in das Leben des einzelnen, von erkämpftem Lebensglück und tödlicher Resignation. 1916, Frank war durch „Die Räuberbande“ und „Die Ursache“ bereits anerkannter Schriftsteller, veröffentlichte René Schickele in der Zeitschrift „Die weißen Blätter“ die erste jener fünf Erzählungen von Leonhard Frank, die ein Jahr später unter dem Titel „Der Mensch ist gut“ in der Schweiz erschienen.
Dieser Antikriegszyklus, der in expressionistischer Wortgewalt rückhaltlos und bis an die Grenze des Erträglichen die grausigen Folgen des Krieges ins Bewußtsein treibt, brachte seinem Autor nicht nur literarischen Ruhm, sondern auch die Genugtuung, Zeitgenossen zum Protest gegen den Krieg aktiviert zu haben: Daß er die Kieler Matrosen in ihrem Willen zum Aufstand bestärkte, daß es in Berlin nach der Lektüre zu Demonstrationen kam, davon berichtet Leonhard Frank in „Links wo das Herz ist“ und in Gesprächen mit Freunden. Auch die späteren Erzählungen, von den Folgen faschistischer Ideologie und Herrschaft handelnd, zeigen Leonhard Frank wieder als politisch engagierten Schriftsteller, der trotz aller erlebten Barbarei dem Guten im Menschen vertraut.

Inhalt:
Der Mensch ist gut
    Der Vater .......... 7
    Die Kriegswitwe .......... 18
    Die Mutter .......... 47
    Das Brautpaar .......... 77
    Die Kriegskrüppel .......... 89
Die Schicksalsbrücke .......... 127
Zwei Mütter .......... 153
Der Beamte .......... 165
An der Landstraße .......... 185
Im letzten Wagen .......... 235
Karl und Anna .......... 277
Deutsche Novelle .......... 347

Kurzgeschichten
    New Yorker Liebesgeschichte .......... 453
    Der Heiratsvermittler .......... 466
    Der Blockwart .......... 472
    Das Porträt .......... 478
    Der Schreiner .......... 486
    Berliner Liebesgeschichte 1946 .......... 495
Michaels Rückkehr .......... 505

Die „Gesammelten Erzählungen“ entsprechen dem sechsten Band der „Gesammelten Werke in sechs Bänden“ *

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 19??  
2. Auflage 1979

* Gesammelten Werke in sechs Bänden; Bd. 6., Erzählungen
1. Auflage 1957
2. Auflage 1959
3. Auflage 1962